Inland
Doch keine Chipkartengebühr?
ÖVP will Haupt nicht beim Nachdenken stören - Grüne trauen Aussagen des Sozialministers nicht
Wien - Die gestrige Unterredung zwischen Sozialminister
Herbert Haupt (F) und der ÖGB-Spitze hat am Dienstag zu
skeptisch-abwartenden Reaktionen bzw. Forderungen geführt. Für die
Grünen ist die Haupt-Aussage, gegebenenfalls auf die Chipkartengebühr
verzichten zu können, vorerst eine leere Versprechung, die SPÖ meint,
eine Schwalbe mache noch keinen Sommer. Der Seniorenbund (V) fordert
eine Senkung des Krankenversicherungsbeitrags der Pensionisten,
sollte die Chipgebühr tatsächlich fallen. Es war eine Unterredung im Rahmen der Gesprächsreihe von
ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch mit Ministern, um die Forderungen
der ÖGB-Urabstimmung zu deponieren. Dabei erläuterte Haupt, eine
Verbreiterung der Bemessungsgrundlage für die Krankenversicherung zu
überlegen. Das würde bedeuten, dass künftig nicht mehr nur die
Lohnsumme Basis der Bemessung für die Krankenversicherung ist,
sondern mittels Wertschöpfungsabgabe auch andere betriebliche
Ausgaben einbezogen werden - eine jahrzehntelange Forderung vor allem
der SPÖ und ihrer Sozialminister.
Denkbar ist für Haupt auch, auf die geplante Chipkartengebühr zu
verzichten. Sollten die Verwaltungseinsparungen durch den Wegfall der
Krankenscheine tatsächlich so hoch sein, wie angenommen, müsste man
keine Gebühren mehr einheben, meinte der Minister.
Wenige Stunden Halbwertszeit von Haupt-Aussagen
"Die Halbwertszeit von Haupt-Aussagen beträgt in der Regel wenige
Stunden oder Tage. Wenn Haupt also den Verzicht auf neue
Chipkartengebühren oder die Beibehaltung der Pflichtversicherung
verspricht, dann muss damit gerechnet werden, dass das Gegenteil
davon umgesetzt wird", so reagiert der Sozialsprecher der Grünen,
Karl Öllinger. Es gebe "überhaupt keinen Grund den Aussagen Haupts
zum Verzicht auf Chipkartengebühren zu trauen", so Öllinger, weil die
Einsparungspotentiale nicht absehbar seien.
SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Doris Bures sieht einen "ersten
Schritt in die richtige Richtung, aber noch lange keinen Grund zum
Jubeln". Nach wie vor offen sei ein "vernünftiges und sozial
verträgliches" Finanzierungskonzept für das Gesundheitssystem, die
Rücknahme der Reformen des Hauptverbands, die Frage der
beitragsfreien Mitversicherung, die Abschaffung der
Unfallrentenbesteuerung sowie der Ambulanzgebühr. Selbst wenn Haupt
nun die Wertschöpfung aufgreift, fehlten noch wichtige Schritte, sagt
Bures.
Der Bundesobmann des Österreichischen Seniorenbundes Stefan Knafl
erinnerte daran, dass bei Einführung der Krankenscheingebühr von 50
Schilling (3,63 Euro) die Krankenversicherungsbeiträge für
Pensionisten von 3,5 auf 3,75 Prozent erhöht worden sind. Sollte nun
die Nachfolgegebühr für Chipkarten fallen, müsse "selbstverständlich
auch die 0,25prozentige Erhöhung für die Pensionisten zurückgenommen
werden."
ÖVP will Haupt nicht beim Nachdenken stören
Nicht gerade begeistert wird die Haupt-Ankündigung vom Koalitionspartner ÖVP
aufgenommen.
Klubobmann Andreas Khol meinte dazu bei einer Pressekonferenz am
Dienstag, Haupts Aussagen seien "Meinungsäußerungen, aber noch nicht
Ankündigungen einer konkreten Politik". Er wolle den Ergebnissen der
Arbeitsgruppe aber nicht vorgreifen.
Haupt hatte am Montag laut über die Einführung einer
Wertschöpfungsabgabe (Stichwort: "Maschinensteuer") nachgedacht. Khol
wollte darauf nicht direkt eingehen und wertet die Aussagen des
Ministers erst als Beginn eines Nachdenkprozesses. "Und wir werden
den Minister Haupt beim Nachdenkprozess nicht stören, vielleicht
sogar unterstützen", so der VP-Klubchef.
Man müsse natürlich über die langfristige Finanzierung des
Sozialsystems nachdenken. "Aber ich schließe ganz klar und deutlich
jede Beitragserhöhung aus", betonte Khol. (APA)