Gegen das Bild eines Österreich "als unbelehrbares Naziland" will Fritz Csoklich, ehemaliger Chefredakteur der Kleinen Zeitung, Zeichen setzen. Zum Beispiel durch die Publizierung der Briefe, die Karl Maria Stepan, christlich-sozialer Landeshauptmann der Steiermark und nach dem Krieg Generaldirektor des Styria-Verlags, seiner Familie aus Gefängnis und KZ geschrieben hat. Beweise für das "andere Österreich".Tatsächlich ist dieses Buch eine Sammlung bemerkenswerter Dokumente. Die Briefe zeugen nicht nur vom Mut eines aufrechten Katholiken, sondern auch von der Zähigkeit eines couragierten Oppositionellen: "Sie mögen auf uns herumtrampeln. Zum Jammern werden sie uns nicht bringen." Herzstück des Buchs neben den Briefen und einer Biografie des Historikers Matthias Opis ist ein Erinnerungstext Csoklichs, der die Kleine Zeitung zu einer offenen publizistischen Plattform entwickelt hat. Möglich war dies auch deshalb, weil Stepan nicht bereit war, seinen Verlag (und indirekt die Kirche) in ein Instrument der Volkspartei zu verwandeln. Den Dialog zwischen katholischer Kirche und Arbeiterschaft in den 60er-Jahren hat Stepan noch selbst erlebt. Das Buch enthält zahlreiche weitere Blicke und Aspekte: Einen kurzen Text des mit Stepan inhaftierten Franz Olah, die Publikation eines prinzipiellen Briefs, den Stepan an den steirischen Fürsterzbischof Ferdinand Pawlikowski geschickt hat, sowie ein Interview mit der Witwe Stepans, die Kurt Wimmer bedeutete: "Ist das eigentlich interessant? Es hat doch Menschen gegeben, die viel mehr Leid erlebt haben: die Juden zum Beispiel." (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29. 1. 2002)