Mensch
Symposium über Stammzellen aus der Nabelschnur
Wien - Stammzellen, die Therapie von Krankheiten auf der
Basis von mehr oder weniger potenten Vorläuferzellen von Blut und
Gewebe, die Gewinnung unterschiedlicher Typen dieser Zellen: Am
Wochenende (1. und 2. Februar) beschäftigen sich in Wien
internationale Fachleute bei einem Symposium mit den neuesten
Fortschritten auf diesem Teilgebiet dieser "regenerativen" Medizin. "Bei dem Symposium stehen die Stammzellen aus dem Nabelschnurblut
im Vordergrund. Sie sind buchstäblich 'Gold', was die Gewinnung
solcher Zellen und künftige Anwendungen in der Medizin betrifft",
erklärte Tagungsorganisator Univ.-Prof. DDr. Johannes Huber von der
Universitäts-Frauenklinik am Wiener AKH.
Definition
Das Thema Stammzellen sorgt derzeit international für heiße
Diskussionen. "Stammzellen haben dien Fähigkeit, sich in Kultur
unbeschränkt zu teilen, und können spezialisiertere Zellen
hervorbringen. Am besten beschreibt man sie im Kontext der
Entwicklung eines menschlichen Organismus. Sie beginnt, wenn ein
Spermium eine Eizelle befruchtet und dadurch eine Zelle entsteht, die
das Potenzial besitzt, ein ganzes Lebewesen zu bilden. Diese
befruchtete Eizelle ist 'totipotent'." - So definieren die Nationalen
US-Gesundheitsinstitute (NIH) Stammzellen.
Freilich, für Diskussionen sorgen derzeit eher die embryonalen
Stammzellen: Bis zum Acht-Zell-Stadium bleiben die Einzelzellen
totipotent. In der dann entstehenden Blastozyste - unmittelbar vor
der Einnistung - finden sich einige Zellen, die pluripotent sind. Sie
können sich noch zu jedem Gewebetyp außer der Plazenta entwickeln.
Und genau auf diese Zellen haben es viele Wissenschafter abgesehen:
Versteht man, unter welchen Bedingungen sie sich zu verschiedenen
Zell- oder Gewebetypen weiter entwickeln, hätte man
"Reparaturmaterial" an der Hand.
Problem
Die Crux: Blastozysten, abgetriebene Föten oder Zellen aus
Klonierungsprozeduren sind bisher die von den Wissenschaftern am
häufigsten genannten bzw. benutzten Quellen von pluripotenten
Stammzellen. - Und diese sind ethisch und ideologisch ausgesprochen
umstritten.
Am Wort "Stammzelle" hängt dabei prinzipiell noch keine
"gefährliche" Neuigkeit. Huber: "Mit Hilfe der herkömmlichen
Knochenmarktransplantation hat man seit Jahren Stammzellen (zum
Wiederaufbau eines zerstörten Knochenmarks, Anm.) übertragen." Das
erfolgte bzw. erfolgt beispielsweise bei der Behandlung von
Leukämien, bei der ein "krankes" Blutbildungssystem durch jenes vom
Spender de facto ersetzt wird.
Klassiker
Doch die Wissenschafter unterschätzten offenbar die
Wandlungsfähigkeit von Vorläuferzellen insgesamt. Legendär - und noch
immer an vielen Laborwänden befestigt - ist ein gut zehn Jahre altes
Plakat des Gentechnik-Pionierunternehmens Amgen, das die Entstehung
der verschiedenen Blutzellen aus der "hämatopoetischen Stammzelle"
unter dem Einfluss verschiedener Blutwachstumsfaktoren darstellte.
Doch Zellen können laut den neuesten Forschungsergebnissen viel
mehr. Der Wiener Gynäkologe und Endokrinologe: "Stammzellen besitzen
eine unerhörte Plastizität. Aus Stammzellen von Nabelschnurblut hat
man bereits Endothelzellen gezüchtet, die Blutgefäße bilden können,
ebenso Langerhans-Zellen (Immunzellen der Haut, Anm.). In Versuchen
an Ratten konnte man Nervenzellen herstellen. Wahrscheinlich gelingt
auch die Züchtung mesenchymaler Zellen." - Letzteres wäre ein "Clou",
weil aus ihnen auch Muskel-, Herz- und Zellen vieler anderer
Gewebetypen und Organe - prinzipiell - entstehen können. (APA)