Parlament
Streit über die "Wirklichkeit"
Cap: "Verschüsseltes Bild von Österreich" - Koalition kritisiert die Opposition
Wien - In der Debatte über die Dringliche Anfrage Donnerstag im
Nationalrat meinte die Opposition, dass das von Bundeskanzler
Wolfgang Schüssel (V) dargestellte Bild nicht der Wirklichkeit
entspreche. Die Koalition kritisierte im Gegenzug die Opposition,
lobte die Regierungsarbeit und beteuerte die Absicht, zumindest bis
zum Ende der Legislaturperiode weiterzuarbeiten. Der Kanzler habe ein "verschüsseltes Bild von Österreich geboten",
attestierte SPÖ-Klubobmann Josef Cap Schüssel eine "selektive
Wahrnehmung der Wirklichkeit". In Schüssels Diktion wäre wohl "ein
Flugzeugcrash eine unsanfte Landung in mehreren Flugzeugteilen" und
eine "Massenkarambolage ein Buserer mit Publikumsbeteiligung". Cap
brachte einen Entschließungsantrag ein, in dem die Angriffe der FPÖ
auf den Verfassungsgerichtshof (VfGH) zurückgewiesen werden.
"Regierungskrise abgesagt"
"Die Regierungskrise ist längst abgesagt und findet nicht statt.
In Wahrheit gibt es nur eine Dauerkrise der Opposition", sagte
FPÖ-Klubobmann Peter Westenthaler. Die SPÖ sei als gestalterische
Kraft längst abgetreten, habe keine Konzepte, sage zu allem Nein -
und bringe nur immer wieder die selbe Leier "alles ist so schlecht
und ich weiß nicht, wie es besser geht". Westenthaler bekräftigte,
dass die Koalition eine "gemeinsame Linie" habe - und brachte einen
FP-VP-Entschließungsantrag ein, indem die Gemeinsamkeit bei
EU-Erweiterung, Temelin und Benes-Dekreten - über die letzteren
beiden Punkte will man Gespräche führen - dargestellt wird.
Die SPÖ versuche seit 4. Februar 2000 "erfolglos, gegen diese
Regierung anzurennen". Sie werde auch mit Dringlichen wie dieser
"Phantombilanz" scheitern, sagte ÖVP-Klubobmann Andreas Khol. Die
Koalition lasse sich "nicht aus dem Tritt bringen", sie sei auf vier
Jahre angelegt, um das Regierungsprogramm "abarbeiten zu können".
Danach werde man die Wähler um Vertrauen für weitere vier Jahre
bitten. Khol brachte einen VP-FP-Entschließungsantrag ein, in dem die
Regierung aufgefordert wird, dem Parlament einen internationalen
Vergleich über Funktion und Organisation der Verfassungsgerichte
vorzulegen.
Grünen-Chef Alexander Van der Bellen zeigte Verständnis für den
Kanzler: Es wäre wohl zu viel verlangt, dass Schüssel die Wahrheit
darüber sagt, was er denkt, wenn die FPÖ "mit der
Verantwortungslosigkeit von Kleinkindern im außenpolitischen
Porzellanladen wütet". Der FPÖ attestierte Van der Bellen in der
Außenpolitik "Doppelbödigkeit": Im Parlament unterschreibe sie jedes
von der ÖVP vorgelegte Papier, außerhalb des Hauses habe sie sich
aber noch nie daran gehalten. "Spätestens wenn der Landeshauptmann
von Kärnten draufkommt, was sie hier beschlossen haben, ist die
Sache wieder anders." Auch Van der Bellen brachte einen
Entschließungsantrag zur EU-Erweiterung sowie der Absage an eine
Vetodrohung in Sachen Temelin und an eine Verknüpfung der
Benes-Dekrete mit Tschechiens Beitritt ein. (APA)