"Die Rechte der Künstler, die uns träumen lassen, müssen leben", war auf einem Plakat in Cannes zu lesen. Bei der Midem, der weltgrößten Musikmesse vergangene Woche, entstand allerdings rasch der Eindruck, dass die Musikmanager zwar von Internet, Apples iPod, MP3 und Musikhandys schon gehört haben, dass sie aber noch in jener glücklichen Ära leben, in der man in einem Hongkonger Hinterhof Tausende CDs beschlagnahmen konnte.

Das Internet hat die Verteilung von musikalischen Inhalten revolutioniert. So sah man bei der Midem Aussteller, die futuristische "Synergiemodelle" anpriesen, in denen geschützte Daten (Musik, Bilder und Texte) von einem zentralen Server verwaltet werden, der zugleich für die Rechtsabwicklung gegenüber Künstlern und die Verrechnung gegenüber Konsumenten zuständig ist. Einzelne Modelle können den musikalischen "Content" regional steuern, ähnlich den Regionalcodes auf DVD.

Die Zahl der Internetanbieter mit Musikseiten ging aufgrund der Klagen der Musikindustrie seit letztem Jahr radikal zurück. Aber auch wenn der Verkehr bei den Nachfolgern von Napster stark zurückging, konnte die Industrie die Nachfrage bisher nicht zu bezahlten neuen Sites umleiten. Das breite Publikum zögert bei Abos, die zwar Gratis-Downloads von betagtem Musikmaterial als Zuckerln anbieten, aber für eine selbst zusammengestellte Hit-Compilation zumindest ebenso viel verlangen, wie eine CD kostet.

Digitale Wasserzeichen zum Verfolgen unrechtmäßig im Internet schwimmender Musik sind nur ein Teil der Versuche, das digitale Kopierproblem in den Griff zu bekommen. Das deutsche Fraunhofer Institut, Erfinder des MP3-Formats, stellte automatische Fingerabdrücke für MPEG-7 (ein neues Multimediaformat) vor, und es existiert sogar schon MPEG-21, von Fraunhofer und Rightscom entwickelt. MPEG-21 erkennt unterschiedliche Formate wie Film, Musik, Daten, usw. und stellt sie in eine ausgeklügelte Architektur, in der Konsumenten mithilfe einer neuartigen Suchmaschine Musikstücke von verschiedenen Sites herunterladen, davon eine CD brennen können und via Kreditkarte vom Hauptserver belastet werden.

Gegenüber diesen komplexen Modellen, die einstweilen graue Theorie sind, wirkt ein Verschlüsselungssystem wie Sonys "key2audio" fast simpel. Es macht damit behandelte CDs für CD-ROM-Drives in Computern unspielbar und daher unkopierbar. Dies stößt jedoch auf Probleme bei DVD-Spielern und CD im Autoradio, die Computerlaufwerke benutzen. Wie berichtet, hat CD-Koerfinder Philips wenig Freude mit diesen Systemen.

Angesichts der hohen Investitionen, die hinter den neue Technologien stehen, und des engen Zeitrahmens, der wohl vorausdenkenden Musikfirmen bewusst ist, wurde in Cannes eine alte Idee neu aufgewärmt: Warum nicht einstweilen die Urheberrecht-Abgabe für unbespielte Datenträger inklusive Festplatten kräftig anheben? (Standard-Mitarbeiter Ludwig Flich aus Cannes, Der Standard, Printausgabe, 01.02.02)