Riad/Washington/Wien - Dass der saudische Regent sich mit zwei amerikanischen Journalisten für mehr als eine Stunde hinsetzt, zeigt den Ernst der Lage (auch wenn die Zeitungen Washington Post und New York Times heißen). Seit Wochen werden die saudisch-amerikanischen Beziehungen diskutiert, US-Kritik an ungenügenden Anstrengungen der Saudis bei der Eindämmung ihrer radikalen Islamisten geübt, vor allem aber Abzugsszenarien für die in Saudi-Arabien stationierten 5000 (das ist die offizielle Zahl) US-Soldaten entworfen. US-Truppen wegschicken? In seinem Interview versicherte nun Kronprinz Abdullah, der für den gebrechlichen König Fahd regiert, die USA der ungebrochenen Freundschaft und stritt ab, dass es saudische Überlegungen gebe, die US-Truppen wegzuschicken, all das bei gleichzeitiger starker Kritik an der Israel-Politik Washingtons. Noch nie vor Abdullah hat übrigens ein hoher saudischer Politiker nach dem 11. September so offen angesprochen, dass 15 von 19 Selbstmordattentäter Saudis waren; schon früher hatte er Appelle an die saudische Geistlichkeit, ihren Ton gegen die USA zu mäßigen und die Anschläge zu verurteilen, gerichtet. Am Donnerstag schloss sich der saudische Großmufti - früher als Taliban-Bewunderer bekannt - der Initiative an und forderte die Pädagogen des Landes auf, die Jugend nicht in die islamistische Militanz zu hetzen. Fehlende strategische Vision Ob sich die wachsende Zahl der Saudi-Arabien-Kritiker im US-Kongress davon beeindrucken lassen wird, ist fraglich. Sie haben nach dem 11. September entdeckt, was Beobachter seit Jahren konstatieren: das "Fehlen einer gemeinsamen strategischen Vision" von Riad und Washington. Als Paradebeispiel mag die Szene herhalten, als während des Golfkriegs in der gemeinsamen saudisch-amerikanischen Kommandozentrale saudische Offiziere jubelnd aufsprangen, als irakische Raketen in Israel einschlugen. Den kritischen US-Abgeordneten geht es leicht von der Zunge, dass die USA eben aus dem Königreich abziehen sollten, wenn sie dort nicht willkommen sind. In Wahrheit wäre der Verlust des erst vorigen Sommer eröffneten hochmodernen "Combined Air Operations Center" auf der Prince Sultan Luftwaffenbasis ein schwerer Schlag - manche halten etwa eine US-Offensive gegen den Irak unter solchen Umständen für fast unmöglich. Als Alternative werden die Stationierung der Soldaten auf Kriegsschiffen im Golf genannt und der Ausbau der bestehenden Basen in den anderen arabischen Golfländern. Keinerlei schriftliche Abmachung Zwischen Saudi-Arabien und den USA gibt es keinerlei schriftliche Abmachung über Umfang und Dauer der US-Truppenstationierung, es galt im Golfkrieg gegen den Irak als ausgemachte Sache, dass die Amerikaner wieder abziehen würden, "wenn der Job erledigt ist". Das ist er für die USA nicht, solange im Irak Saddam Hussein an der Macht ist. Die vorsichtige Verbesserung der Beziehungen Saudi-Arabiens zum Irak wird Washington deshalb wenig freuen. Für Riad wird Bagdad jedoch nicht zuletzt als Geschäftspartner immer interessanter, die irakischen Importe aus dem Königreich beliefen sich in den letzten Jahren auf eine Milliarde US-Dollar. Bei einem voraussichtlichen Budgetdefizit für 2002 von zwölf Milliarden Dollar wird jede Wirtschaftsbelebung gebraucht, den bis zum Golfkrieg von ihrer Regierung hoch subventionierten Saudis droht ein neues Sparpaket - was wieder die Unzufriedenheit im Land anheizen wird. Pragmatischer argumentieren US-Analysten mit Blick auf all diese Probleme, wenn sie sagen, man sollte vor allem um der innenpolitischen Stabilität in Saudi-Arabien willen die US-Soldaten herausholen. (DER STANDARD Print-Ausgabe, 1.2.2002)