Unternehmen
Wyser-Pratte: Ein Investor den Unternehmen fürchten und lieben
"Meine eigentliche Waffe ist die Meinung der Mitaktionäre" - 500 Millionen Dollar "Spielkapital"
Wien - "Guy Wyser-Pratte ist genau die Sorte Finanzinvestor
aus Übersee, den deutsche Unternehmen fürchten", schrieb das
Finanzmagazin "Forbes" im Juli 2001. Die Aktionäre dagegen lieben ihn
wegen der beinahe garantierten Wertsteigerung der Unternehmen, an
denen er sich beteiligt. Rund 500 Mill. Dollar (579 Mill. Euro/8 Mrd.
S) stehen dem Investmentexperten laut Medienberichten für seine
Beutezüge zur Verfügung. An mehr als 40 Unternehmen hat sich seine
Firma Wyser-Pratte Management Co. Inc. seit 1992 beteiligt, an gut
einer Handvoll soll er derzeit noch Anteile halten. Seit Donnerstag
ist er offiziell mit fünf Prozent auch an der heimischen AUA
beteiligt. Die Mutter des 1940 geborenen knapp 2 Meter großen Firmenjägers
war Österreicherin, die nach dem ersten Weltkrieg nach Frankreich
geflohen war. 1947 wanderte er mit seinen Eltern in die USA aus. Dort
zog es ihn in die US-Marine. Vier Jahre diente er in den USA und
Asien.
"Sein Interesse gilt ausschließlich Unternehmen, in deren Bilanz
der eine oder andere ungehobene Vermögensschatz schlummert und bei
denen der Aktienverkauf einen schönen Profit verspricht, wenn die
Firma erst einmal ordentlich durchgerüttelt wurde", schrieb "Der
Spiegel" Mitte Jänner, nach dem bekannt wurde, dass Wyser-Pratte mehr
als 5 Prozent des deutschen Traditionsunternehmens Babcock-Borsig
aufgekauft hatte.
Aggressiver Ruf
Der als aggressiver Investor geltende "Wall Streeter" machte
seinen ersten deutschen "Beutezug" im November 2000, als er 7 Prozent
des deutschen Elektronik- und Rüstungskonzerns Rheinmetall - einem
Unternehmenskonglomerat alten Stils - aufkaufte. Die Gründerfamilie
Röchling war an seinem Plan, das Unternehmen aufzuteilen und auf
Rüstungsprodukte zu konzentrieren, aber nicht interessiert und kaufte
ihn aus dem Unternehmen aus. In den 12 Monaten, in denen Wyser-Pratte
die Aktien hielt, hat sich deren Preis mehr als verdoppelt.
Im Jänner 2002 schlug der von Forbes als "Unternehmens-
Freibeuter" ("corporate raider") bezeichnete Franko-Amerikaner in
Deutschland erneut zu: Wyser-Pratte erwarb rund fünf Prozent der
Babcock, einem Maschinenbau-Konglomerat, das Kraftwerke und
Unterseeboote baut. "Das Unternehmen ist auf einer restrukturierten
Basis extrem unterbewertet", so Wyser-Pratte. Laut Forbes
beabsichtige der Finanzinvestor zwar mit dem Management
zusammenzuarbeiten, "aber was er will, scheint klar zu sein: schwache
Teile abstoßen und in den U-Bootbau zu investieren."
Nach Bekanntwerden des Deals stieg der Babcock-Kurs um mehr als
ein Viertel. Eigentlich sei Wyser-Prattes Beteiligung nicht wirklich
relevant, meinen Analysten. Die Situation würde sich aber schnell
ändern, wenn der Investor auch den von Preussag gehaltenen
Babcock-Anteil erwerben würde. "Wenn es ihm gelingt, den Fokus des
Managements auf den Shareholder-Value zu legen, könnte dieser Anstieg
erst der Beginn sein", meint Forbes. "Kaum ein anderer Firmenjäger
kann so unangenehm werden, wenn es darum geht, Druck auf ein
Management auszuüben", schrieb "Der Spiegel".
Minderheitenbeteiligungen
Dabei erwirbt Wyser-Pratte immer nur eine Minderheitsbeteiligung,
in der Regel nicht mehr als maximal 10 Prozent. "Meine eigentliche
Waffe ist die Meinung der Mitaktionäre", so der selbstbewusste
Firmenjäger. Der Erfolg scheint ihm Recht zu geben: Beim britischen
Energiekonzern Northern Electric gelang es ihm einen Aufstand der
Anleger anzuzetteln, als die Firmenführung ein lukratives
Übernahmeangebot ausschlug. Bei der französischen Schuhhandelskette
Groupe Andre wiederum schubste er mit vereinten Kräften den
Vorstandsvorsitzenden aus der Firma. "Nun steht Babcock-Borsig auf
der Liste", heißt es.
Wyser-Pratte besitzt in Deutschland daneben noch Anteile an der
MobilCom AG, die mit 1,1 Prozent angegeben werden. Laut "Forbes"
könnten noch in diesem Jahr ein Drittel der deutschen Aktien ihre
Besitzer wechseln, nachdem die deutsche Regierung die Besteuerung von
Kapitalerträgen per Jahresbeginn fallen gelassen hat, um
Umstrukturierungen zu erleichtern. "Erwartet nicht, dass das ohne
Kampf vor sich gehen wird", schreibt "Forbes". (APA)