Den Haag/Rom - Der jugoslawische Ex-Präsident Slobodan Milosevic muss sich vor dem Haager UNO-Kriegsverbrechertribunal in einem einzigen Verfahren zu allen Anklagen wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen während der Balkankriege verantworten. Eine Berufungskammer des UNO-Gerichtshofes verfügte am Freitag die Zusammenlegung zweier ursprünglich getrennter Prozesse zu Kriegsverbrechen in Bosnien und Kroatien sowie im Kosovo. Das Verfahren solle am 12. Februar beginnen. Unterdessen sagte Milosevic in einem Interview mit ITAR-TASS, Russland und die Geschichte hätten ihn verraten. Tribunalspräsident Claude Jorda und seine vier Beisitzer folgten mit ihrer Entscheidung einem Antrag der Kläger, die eine Zusammenlegung der Verfahren angestrebt hatte. Chefanklägerin Carla del Ponte begrüßte die Entscheidung nach Angaben einer Sprecherin als "sehr wichtig für die Opfer". Ab 1. Juli könnte nach Angaben Del Pontes im Prozess auch über die Vorwürfe um Kroatien und Bosnien verhandelt werden. Im Dezember hatte eine niedrigere Instanz eine Trennung der Verfahren mit der Begründung verfügt, ein gemeinsamer Prozess könnte wegen des Umfangs für den Angeklagten und für das Gericht zu viel sein: Am 12. Februar sollte zunächst der Prozess wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Kosovo-Krieg beginnen, anschließend sollte sich Milosevic wegen Verbrechen in Kroatien und Bosnien verantworten. Dagegen hatte die Anklage argumentiert, die drei Kriege seien unauflösbar verbunden, da überall Milosevics übergeordnetes Ziel die Schaffung eines "Großserbiens" durch die Vertreibung und Tötung von Nicht-Serben gewesen sei. Milosevic selbst sagte in einem von der Tanjug am Freitag veröffentlichten schriftlichen Interview mit dem Büro der ITAR-TASS in Rom, er habe bereits Ende der 90-er Jahre geahnt, dass die Welt über ihm einstürzen werde und das sei auch tatsächlich passiert. "Alle haben mich verlassen", wird Milosevic zitiert, und die ersten, die dies getan hätten, seien "gerade die ehemaligen Freunde, unter ihnen auch Russland" gewesen. Dieses habe ihm den Rücken gekehrt und "auf die Karte der internationalen Globalisierung gespielt". Moskau habe "sich selbst verraten, als es mich und das serbische Volk verraten hat, das sich im Herzen seiner Geschichte befindet", so Milosevic. Er sei von der Geschichte und nicht von seinem Volk verraten worden. "Das Volk hat mich nicht verraten, es haben mich einige Leute verraten, die gezeigt haben, dass sie den Werten treu sind, von denen ich glaubte, dass sie existieren, tatsächlich haben sie aber nicht existiert", sagte der ehemalige jugoslawische Präsident. Beim Prozess in Den Haag wolle er sich "nicht vor dem Gericht, sondern vor den Leuten", verteidigen. Gleichzeitig wolle er darauf beharren, dass das Kosovo serbisches Territorium sei und dass er niemals ethnische Säuberungen befohlen habe. Zu seinen Haftbedingungen sagte Milosevic, dass im Gefängnis in Scheveningen "die Welt stehen geblieben" sei. In jener "isoliertesten Zelle", in der er sich befinde, "spürt man die Ankunft des Endes". Seine körperliche und physische Verfassung beschrieb Milosevic als "Schwanken zwischen Inaktivität und schlechter Hoffnung". Das Interview habe er übrigens "mit Hilfe von Mitteln, die Agenten 007 benutzen", aus dem UNO-Gefängnis in Scheveningen an die Öffentlichkeit gebracht, so Milosevic. Laut Vorschrift seien den Inhaftierten Kontakte zu Medien untersagt, denn schließlich könnten die getätigten Aussagen im Rahmen der Prozesse gegen sie verwendet werden, sagte Tribunalssprecherin Florence Hartmann gegenüber der Tanjug. Der Ex-Präsident, der von Belgrad ausgeliefert wurde, ist seit Ende Juni im Gewahrsam des Tribunals. Er erkennt die Rechtmäßigkeit des UNO-Gerichts nicht an und lehnt jede Zusammenarbeit ab.(APA/dpa)