Tunesien
Tunesien: Oppositionelle ohne Verfahren verurteilt
Anwälte sprechen von "Kidnapping"
Tunis - Ein tunesischer Richter hat am Samstag ohne
Verfahren die Urteile gegen drei Oppositionelle bestätigt. Die drei
Mitglieder der verbotenen Parti Communiste Ouvrier Tunisien (PCOT)
waren zuvor von der politischen Polizei aus dem Gerichtssaal entfernt
worden. Nach den Worten der Anwälte handelte es sich bei dem Vorgehen um
"Kidnapping". Die im Gerichtssaal anwesende Beraterin des Präsidenten
der Sozialistischen Partei Belgiens sowie andere internationale
Beobachter nannten das Verfahren "eine Justizparodie".
Hamma Hammami, Sprecher der verbotenen PCOT, war am Samstag nach
einem vierjährigen Leben im Untergrund zusammen mit zwei weiteren
PCOT-Mitgliedern vor Gericht erschienen. Die Oppositionellen hatten
Berufung gegen ein Urteil eingelegt. Hammami war 1999 zusammen
Abdeljabbar Maddouri und Samir Damallah in Abwesenheit zu mehr als
neun Jahren Gefängnis veruteilt worden, unter anderem wegen
Mitgliedschaft in einer verbotenen Partei. Mitte Jänner kündigten sie
an, aus dem Untergrund aufzutauchen.
Zu einem Prozess kam es am Samstag jedoch nicht. Gerichtspräsident
Mustapha Kaabach hatte sich vor Beginn während zwei Stunden in seinem
Büro eingeschlossen. Er verlangte von den dreissig Anwälten der
Verteidigung hinter einer Absperrung zu plädieren - was als
unübliches Prozedere gilt. Rund dreissig uniformierte Polizisten
drängten die Anwälte zurück.
Kurz darauf erschienen zehn in Zivil gekleidete Mitglieder einer
Sondereinheit und entfernten die drei Oppositionellen aus dem
Gerichtssaal. Die Verteidigung zog sich daraufhin zurück. Sie hatte
gefordert, dass das Gericht und nicht die Polizei das Verfahren
organisiere. (APA/sda)