Nachdem Ariel Sharon erstmals seit seinem Amtsantritt mit hochrangigen palästinensischen Politikern zusammengetroffen ist, wird allenthalben gerätselt, ob der israelische Premier ernsthaft einen "politischen Horizont" vorweisen will oder mit Blick auf seine bevorstehende USA-Reise bloß geschickt taktiert. Am Wochenende wurde publik, dass Sharon in seiner Wohnung in Jerusalem insgeheim drei der wichtigsten Persönlichkeiten der "Gegenseite" empfangen hatte: Parlamentspräsident Abu Alla, die Nummer zwei der PLO, Abu Mahsen, sowie Mohammed Rashid, den Finanzberater und Vertrauten von Palästinenserchef Yassir Arafat. Israels Rechte warf Sharon sofort vor, er sei von seinem Grundsatz abgewichen, wonach es niemals "Verhandlungen unter Feuer" geben werde, Sharons Umgebung versicherte deswegen, es habe sich nicht um politische Gespräche, sondern um eine Waffenstillstandsinitiative gehandelt - es sei wichtig, dass die Palästinenser von Sharon selbst hörten, was er denke. Umgekehrt bemühten sich die Palästinenser, den Eindruck zu verwischen, dass sie Sharon bei dem Versuch unterstützten, Arafat beiseite zu schieben - Arafat selbst signalisierte heftig, dass er die Fäden in der Hand halte: "Ich habe Anweisung gegeben, alle Kontakte auf allen Ebenen fortzusetzen." Eine Annäherung der Standpunkte scheint nicht erzielt worden zu sein. Die Palästinenser sollen verlangt haben, dass Israel auf gezielte Tötungen von Terroristen verzichte, nicht mehr ins Autonomiegebiet eindringe und Arafat aus Ramallah herauslasse - Sharon soll entgegnet haben, Arafat müsse zuvor gesuchte Terroristen, insbesondere die Mörder des israelischen Tourismusministers, verhaften, die Terrorgruppen zerschlagen und illegale Waffen beschlagnahmen. Israelische Linkspolitiker sahen allein darin, dass das Treffen zustande gekommen war, eine bedeutende Wende, der palästinensische Informationsminister Yassir Abed Rabbo verdächtigte Sharon hingegen, er wolle "in der Welt und bei US-Kreisen den Eindruck erwecken, dass er eine gemäßigte Haltung hat". Schon seit Monaten verhandeln Außenminister Shimon Peres und Abu Alla diskret über einen Plan, wonach sofort nach Zustandekommen eines Waffenstillstands ein Palästinenserstaat ausgerufen und von Israel anerkannt würde - nach einem Jahr würde dann, schon "von Staat zu Staat", über die endgültigen Grenzen, über Jerusalem und die Flüchtlingsfrage verhandelt werden. Peres dementierte nun Gerüchte, wonach der Plan unterschriftsreif wäre: "Gott bewahre, es gibt keine Vereinbarung zwischen uns - es gibt einen Gedankenaustausch." Das Hauptproblem ist, dass die originellen Ideen von Peres und Abu Alla kaum den Segen der Bosse Sharon und Arafat bekommen werden. Rund 300 Israelis von der jüdisch-arabischen Friedensgruppe "Ta'ayusch" schlugen sich am Samstag nach Ramallah durch und wurden von Arafat empfangen - sie könnten nun strafrechtlich belangt werden, weil israelischen Bürgern aus Sicherheitsgründen der Aufenthalt im Autonomiegebiet verboten ist. (DER STANDARD, Print, 4.2.2002)