New York - Sobald Asbest-Klagen auf ein US-Unternehmen zukommen, bricht der Aktienkurs ein. "Hände weg von diesen Aktien", sagen sich immer mehr Investoren. Sie sind stark verunsichert, denn diese Asbest-Prozesse können sich über Jahre hinziehen. Die Analysten rechnen damit, dass 200 Unternehmen mit Asbest-Prozessen zu kämpfen haben. Diese könnten bis zu 200 Mrd. Dollar (232,44 Mrd. Euro) verschlingen. Die Liste der Unternehmen, die in der Vergangenheit mit Asbest zu tun hatten, ist lang.

Da finden sich bekannte Namen wie Viacom, Eigentümer des Fernsehsender CBS oder Dow Chemical, das die Kunststofffolie Saran vertreibt. "Asbest-Probleme gibt es bei vielen, eine klare Grenze ist hier nicht zu ziehen", erklärt Bruce Simon, Fondsmanager bei Glenmede Trust Co. in Baltimore. "Das Ausmaß des Asbest-Risikos ist schwer abzuschätzen. Wenn den Anlegern hier etwas zu Ohren kommt, gehen sie gleich vom Schlimmsten aus."

Asbest, das in den 70er- und 80er-Jahren als Bau- und Dämmstoff verwendet wurde, steht im Verdacht, Atemwegserkrankungen, Krebs und andere Krankheiten zu verursachen, die erst Jahre später auftreten. Seit den 80er-Jahren wird Asbest nicht mehr verwendet. Jedoch steigt die Zahl der Schadensersatzklagen. Von 20.000 vor rund fünf Jahren ist diese auf 60.000 im Jahresdurchschnitt angewachsen, zeigt eine Untersuchung der Versicherungs- und Finanzdienstleistungsgesellschaft Towers Perrin.

"Die Anleger sagen sich: Lieber kaufe ich etwas, was nicht von diesen Asbest-Risiken betroffen ist", berichtet Brian Hannon, Fondsmanager bei Delaware Investment Advisors in Philadelphia.

Asbest-Virus

Viele Unternehmen, die asbesthaltige Produkte verkauft und verwendet haben, mussten bereits den Gang zum Konkursverwalter antreten. In den letzten zwei Jahren mussten neun Gesellschaften, darunter Federal-Mogul Corp. und USG Corp., Gläubigerschutz anmelden.

Auch die RHI-Tochter Narco hat wie berichtet diesen Gläubigerschutz beantragt. Und das Interesse der RHI, die Gesellschaften in den USA so schnell als möglich loszuwerden, wird durch die unkalkulierbare Asbest-Problematik zumindest verständlich.

Nun konzentrieren sich US-Juristen auf die Gesellschaften, die indirekt damit zu tun haben. So ist der Pharmakonzern Pfizer ebenfalls in ihr Visier geraten. Asbesthaltige Produkte, beispielsweise Schutzausrüstung, wurden von der Sparte Mineralien sowie den Tochtergesellschaften Quickley Co. und Warner-Lambert Co. vertrieben.

"Die Kläger konzentrieren sich jetzt auf Nebenprodukte, von denen niemand je gedacht hätte, dass sie Asbest enthalten", berichtet eine weitere Analystin. "Ihre Anwälte picken sich die Kandidaten heraus, bei denen am meisten zu holen ist." (Bloomberg, este, Der Standard, Printausgabe, 04.02.2002)