Mit dem Beschluss des neuen ORF-Gesetzes im Nationalrat sollte die Arbeit des so genannten Weisenrates eigentlich beendet sein. Doch "Pressionsversuche der Parteien" bei der Besetzung der ORF-Führung und Privatisierungspläne des Stiftungsratschefs wenige Tage vor deren Bestellung lassen das Quartett noch einmal gemeinsam loslegen."Unverständlich und sinnwidrig"

"Unverständlich und sinnwidrig" nennen Langzeitgeneralintendant Gerd Bacher, der Mitinitiator des ORF-Volksbegehrens Fritz Csoklich ("Kleine Zeitung"), der ehemalige ORF-General- und SPÖ-Zentralsekretär Heinrich Keller sowie Ex-ORF-Wissenschaftschef Alfred Payrleitner die Überlegungen von Klaus Pekarek. Der vom Land Kärnten in den Stiftungsrat entsandte Manager sinnierte zuletzt über eine (Teil-)Privatisierung des ORF, der erst vor wenigen Wochen mit dem neuen ORF-Gesetz in eine Stiftung umgewandelt wurde (DER STANDARD berichtete). Die vier "Weisen" waren als Regierungsberater bei dieser Reform tätig.

In ihrer gemeinsamen Erklärung heißt es: "Ein Vorsitzender des Stiftungsrates, der nicht einmal vier Wochen nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes für die Teilprivatisierung des ORF eintritt, scheint sein Amt nicht verstanden zu haben und dafür nicht geeignet zu sein."

Das Gesetz verpflichte die ORF-Mitarbeiter zur Unabhängigkeit, betont der Weisenrat. Vorschläge für die ORF-Führung müssten sich an Qualität und Innovation orientieren "und nicht an parteipolitischen Einflussnahmen, egal welcher Couleur". Die FPÖ drängt wie berichtet vehement auf mehr Blau im neuen ORF-Führungsteam, das Freitag gewählt wird. (fid/DER STANDARD; Print-Ausgabe, 4. Februar 2002) Die Erklärung im Wortlaut "Am 8. Februar entscheidet der Stiftungsrat über das neue Spitzenmanagement des ORF. Quasi als Einstimmung dazu nahm der Stiftungsratsvorsitzende Klaus Pekarek in einem großen Interview den alten Vorschlag der Neuen Kronen-Zeitung nach Teilprivatisierung und Umwandlung des ORF in eine Kapitalgesellschaft auf. Dieses Ansinnen ist die erklärte Gegenphilosophie zum neuen Gesetz. Das unverständliche und sinnwidrige Verhalten des Stiftungsratsvorsitzenden und die bekannt gewordenen Pressionsversuche der Parteien auf die Besetzung der ORF-Führungspositionen veranlasst uns zu dieser öffentlichen Erklärung. Das zentrale Anliegen des neuen Rundfunkgesetzes ist die Festschreibung des öffentlich-rechtlichen Auftrages, die Qualität der Programme und die Verpflichtung zur Unabhängigkeit von Regierung, Parteien, Interessensgruppen, anderen Medien sowie von politischen und wirtschaftlichen Lobbies aller Art. Ein Vorsitzender des Stiftungsrates, der nicht einmal vier Wochen nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes für die Teilprivatisierung des ORF eintritt, scheint sein Amt nicht verstanden zu haben und dafür nicht geeignet zu sein. Die neubestellte Generaldirektorin hat die Aufgabe, Vorschläge für die neue Geschäftsführung zu erstatten. Dabei ist sie an die vom Gesetzgeber erteilte Verpflichtung zur Unabhängigkeit und Qualität (auch der Personen) gebunden. Das Rundfunkgesetz statuiert nicht nur die Unabhängigkeit aller Mitarbeiter sondern auch deren Verpflichtung zur Unabhängigkeit. Das Rundfunkgesetz fordert, dass sich das Gesamtprogramm um Qualität, Innovation, Gleichberechtigung und Verständigung zu bemühen und anspruchsvolle Inhalte glaubwürdig zu enthalten hat. An diesen Grundsätzen haben sich die personellen Vorschläge zu orientieren und nicht an parteipolitischen Einflussnahmen, egal welcher Couleur. Der ORF ist so unabhängig, wie er sich angeblichen Machthabern gegenüber verhält, die im Rundfunkgesetz nicht legitimiert sind." (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 4.2.2002)