Innsbruck - Seit Österreichs EU-Beitritt sind Statistiken rar geworden, die Auskunft darüber geben, welche Güter bei den mehr als 1,6 Millionen Transitfahrten jährlich durch Österreich gekarrt werden. 1997 etwa wurden 269.784 Tonnen meldepflichtiger Müll von Deutschland per Lkw nach Italien transportiert. Jüngere Zahlen liegen nicht vor. Weder über Müll noch noch über andere Waren. "Und wenn es heiße Luft ist und das rechnet sich, muss das in einer freien Wirtschaft zulässig sein", so die Verkehrssprecherin der Grünen, Eva Lichtenberger, in Anspielung auf eine Aussage eines EU-Beamten.Die Debatte um "unsinnige" Transporte ist so alt wie jene um den Transitverkehr insgesamt. Fritz Gurgiser, Obmann des Transitforums, hält es für ein Ablenkungsmanöver, über die legendären Kartoffeln, die von Deutschland nach Italien zum Waschen und dann wieder retourkommen, auch nur ein Wort zu verlieren. "Für irgendwen macht jeder Transport Sinn", sagt er. Man müsse angesichts des aktuellen Frächterskandals über das System des Wirtschaftens reden. Die illegalen und halblegalen Praktiken seien im Prinzip seit Jahren bekannt. Touristen als Lenker Seit den internationalen Ermittlungen gegen die Firma eines Niederösterreichers gehen bei der Wirtschaftskammer beinahe täglich Beschwerden ein. So soll ein Frächter, ebenfalls aus Niederösterreich, für 30 Lkw nur zwei Lenker angemeldet haben, berichtet Format. Ein anderer Unternehmer, südlich von Wien, habe auf seinen 50 Lkw-Zügen Ungarn mit Touristenvisa fahren lassen. Gegen Bezahlung in Forint statt in Schilling beziehungsweise nun Euro. Das Transitforum verweist auf entsprechende Sachverhaltsdarstellungen an Innenminister Ernst Strasser, die bis zum Oktober 2000 zurückreichten und bisher unbeantwortet geblieben seien. Autobahnkobra Gurgiser fordert nun die Einsetzung einer mobilen Sondereinheit, der "Autobahnkobra". Deren Aufgabe müsse es sein, wirkungsvoll bei gravierenden Übertretungen (Überschreitungen des Tonnagelimits, der Lenkzeiten und illegale Beschäftigung) eingreifen zu können. Es sei außerdem eine Blamage, wenn österreichische Behörden ausländische Kollegen "anbetteln müssen", um gegen kriminelle Machenschaften vorzugehen, weil man in Österreich "im Kompetenzwirrwarr erstickt". Die Grünen stellen ähnliche Forderungen. Anders als Gurgiser wollen sie aber die Debatte über "unsinnige" Transporte weiterführen. Es könne schon einmal vorkommen, dass auf der Brennerautobahn ein Transport italienischen Mineralwassers auf der Fahrt nach Norden einem mit deutschem Sprudel in entgegengesetzter Richtung begegne. Vermutlich, meint Lichtenberger, würde es im Sinne des "fiktiven Werts einer Warenvielfalt" genügen, die jeweiligen Etiketten zu verschicken. Kürzlich in der Innsbrucker Markthalle entdeckte neuseeländische Zwiebeln fallen für die Grüne in die gleiche Kategorie. Lichtenberger schätzt, dass die Hälfte aller Transitfahrten Produkte betreffen, die leicht auf die Schiene verlagerbar wären. (DER STANDARD, Print, 4.2.2002)