Hamburg/Berlin - Über mangelnde Publicity kann sich der Hamburger Innensenator und Gründer der Partei Rechtsstaatliche Offensive, Ronald Barnabas Schill, derzeit nicht beklagen: Das größte Foto auf Seite 2 der Montagsausgabe der Bild-Zeitung zeigt ihn, der Spiegel hat eine vierseitige Geschichte über ihn.Aber der Tenor der Texte dürfte Schill nicht gefallen: Unter dem Bild, das den rechtspopulistischen Politiker mit Porno-Queen Gina Wild zeigt, steht: "Richter gnadenlos muss sich gegen den Vorwurf wehren, er verkehre in Kreisen, in denen Kokain konsumiert wird." Der Titel des Spiegel-Artikels ist nicht schmeichelhafter: "Hundert Tage Peinlichkeit". Die Bilanz des Innensenators sieht hundert Tage nach Bildung der Koalition aus CDU, FDP und der Schill-Partei nach übereinstimmender Einschätzung der Medien und seiner Anhänger - wie Umfragen zeigen - dürftig aus. Aus dem Versprechen, 2000 Polizisten neu einzustellen, sind zwanzig Beamte geworden, die der Freistaat Bayern der Hansestadt ausleiht - für vier Wochen. Sein Vorschlag, ein Heim für jugendliche Straftäter am Stadtrand zu erreichten, war nicht mit den Ministerpräsidenten der umliegenden Bundesländer abgesprochen. Die Zerschlagung der Drogenszene ist vorerst gescheitert. "Wir vermissen eine Kriminalstrategie", rügt der Chef der Polizeigewerkschaft, Konrad Freitag. Aufsehen hat der selbst ernannte oberste Gangsterjäger Hamburgs bisher vor allem mit Partyexzessen geliefert: Niemand Geringerer als Verfassungsrichter Wolfgang Hoffmann-Riem, einst parteiloser Hamburger Justizsenator, hatte Schill aufgefordert, sich öffentlich zu Vorwürfen zu äußern, er konsumiere Kokain. Nach tagelangem Druck schloss Schill am Wochenende eine Haarprobe nicht mehr aus. Infolge der gebrochenen Versprechen ist die Schill-Partei, die auf Anhieb 19,4 Prozent erreicht hatte, in Umfragen so geschrumpft, dass die Koalition deshalb ihre Mehrheit verspielt hätte. Sollte sie bei der Bundestagswahl antreten, käme sie in Hamburg nur noch auf drei Prozent. Schill gibt sich unbeeindruckt: Für ihn ist in seinen ersten Amtstagen "alles optimal gelaufen". Er kündigte nach der Gründung des ersten Landesverbandes in Ostdeutschland am Wochenende in Sachsen-Anhalt einen Ableger in Mecklenburg-Vorpommern für April an. Chancen auf eine Wiederholung des Wahlerfolges gibt der Chef des Meinungsforschungsinstituts Forsa, Manfred Güllner, der Schill-Partei indes nicht: "Der Lack ist ab." (DER STANDARD Print-Ausgabe, 5.2.2002)