Nahost
Jenin: Menge lyncht drei Palästinenser im Gerichtssaal
Opfer waren wegen Ermordung eines Sicherheitsbeamten zu 15 Jahren verurteilt worden
Nablus - Aufgebrachte Palästinenser haben in einem
Gerichtssaal in der Stadt Jenin im Westjordanland vor den Augen der
Polizei drei Männer gelyncht. Wie Zeugen am Dienstag berichteten,
waren die Opfer wegen der Tötung eines Mitglieds der
palästinensischen Sicherheitskräfte gerade zu jeweils 15 Jahren Haft
verurteilt worden. Mehr als 20 bewaffneten Palästinensern gelang es,
in das verschlossene Gerichtsgebäude einzudringen. Sie verprügelten
die verurteilten Männer und schossen auf sie. Ein örtlicher Chef der
Fatah-Organisation von Palästinenserpräsident Yasser Arafat verlangte
von der Autonomiebehörde Sofortmaßnahmen, um mögliche weitere
Zwischenfälle zu verhindern. Die Getöteten im Alter von 15, 16 und 32 Jahren stammten aus der
nahe gelegenen Stadt Kabatia. Sie hatten am Freitag einen Offizier
der palästinensischen Sicherheitskräfte umgebracht, dem sie
vorwarfen, mehrere Mitglieder ihres Familienclans während der ersten
Intifida von 1987 bis 1993 getötet zu haben. Der Mann sei damals als
Mitglied der Fatah-Kampfgruppe "Schwarze Panther" für die Tötung von
Kollaborateuren verantwortlich gewesen.
15 Jahre Zwangsarbeit
Ursprünglich war für die 15 und 16 Jahre alten Angeklagten die
Todesstrafe vorgesehen. Wegen ihres Alters minderte ein
Militärgericht die Strafe auf 15 Jahre Zwangsarbeit. Der 32-jährige
Mittäter wurde für seine Teilnahme an den Planungen des Attentats
ebenfalls zur dieser Strafe verurteilt.
Augenzeugen zufolge hatten sich mehr als hundert wütende Anhänger
und Verwandte des getöteten Fatah-Aktivisten vor der Handelskammer
von Nablus versammelt, wo den drei Männern der Prozess gemacht wurde.
Die zur Sicherung der Gerichtsverhandlung abgestellten Polizisten
hätten vergeblich versucht, die Verurteilten in einem kleinen Raum
nahe dem Gerichtssaal vor der Menge zu schützen.
Von den palästinensischen Sicherheitsbehörden war zunächst keine
Stellungnahme zu erhalten. Ein örtlicher Fatah-Führer erklärte
jedoch, die Sicherheitsmaßnahmen während des Prozesses seien nach den
israelischen Angriffen auf Nablus locker gewesen. Bei diesen sei
unter anderem auch das offizielle Gerichtsgebäude der Stadt zerstört
worden. "Die Autonomiebehörde und Präsident Arafat müssen
unverzüglich Recht und Ordnung in der Stadt durchsetzen, bevor hier
das Chaos regiert", sagte Naif Sweitat. (APA)