IT-Business
Lion.cc: Ein Gustostück "kreativer Buchhaltung"
Libro-Prüfbericht ortet Misswirtschaft und Versäumnisse
Die Sonderprüfung gemäß § 118 AktG bei der Buch- und
Medienhandelskette Libro ist offenbar abgeschlossen. Wie die "Presse"
in ihrer Mittwochausgabe berichtet, ortet das Gutachten, das der
Kurzzeit-Finanzminister und Wirtschaftsprüfer Andreas Staribacher
erstellt hat, unter anderem Misswirtschaft und Pflichtverletzungen
des Aufsichtsrats.Sündenregister
Auf 93 Seiten werde das gesamte Sündenregister des damaligen
Libro-Managements aufgelistet, mit dem sich nun das Gericht
beschäftigen wird. Libro musste im Vorjahr mit
Passiva von 334 Mill. Euro (4,6 Mrd. S) Ausgleich anmelden.
Aus strafrechtlicher Sicht besonders heikel für die Ex-Vorstände
Andre Rettberg und Johann Knöbl sei die Frage, wann das Sinken des
Libro-Schiffs erkennbar war. Laut Staribacher, konnte jedoch "mangels
eines detaillierten Management-Informationssystems der genaue
Zeitpunkt der Erkennbarkeit der Unternehmenskrise nur näherungsweise
ermittelt werden". Anhand der Bilanz vom 29. Februar 2000 habe sich
aber schon erkennen lassen, dass Libero in einer Krise steckte.
Sollte ein Gericht auf Basis der Staribacher-Feststellungen eine
Insolvenzverschleppung erkennen, droht Rettberg eine Haftstrafe.
Liquiditätsplanung oder Finanzplan seien bei Libro nicht üblich
gewesen. Zum Zeitpunkt der Sonderprüfung seien wesentliche Unterlagen
zwar verschwunden und zuständige Mitarbeiter längst aus dem
Unternehmen ausgeschieden, dennoch könne "keinesfalls von einem
funktionierenden Kontrollsystem gesprochen werden". Laut Gutachten
wäre das auch vom Wirtschaftsprüfer - Arthur Andersen - zu
beanstanden gewesen. Zudem seien im Jahresabschluß oft fiktive
Gutschriften verbucht worden, die dann wieder storniert wurden. So
oft, dass ein Versehen ausgeschlossen werden könne. "Gemäß Aussagen
von Mitarbeitern der Finanzbuchhaltung und des Einkaufes wurden diese
Buchungsvorgänge über Weisung des Vorstandes vorgenommen."
Geldströme ließen sich nur mühsam nachvollziehen
Bei wichtigen Entscheidungen habe es kein Vier-Augen-Prinzip
gegeben, Geldströme ließen sich nur mühsam nachvollziehen. Obwohl
etwa bei der Aufsichtsratssitzung am 25. März 2000 katastrophale
Zahlen vorgelegt worden seien, hätten sich Rettberg und Knöbl
erfolgsabhängige Prämien überweisen lassen, die über denen des
Vorjahres lagen - was laut Staribacher nicht gerechtfertigt gewesen
sei.
Bei zahlreichen Geschäften habe die nach Aktienrecht notwendige
Zustimmung des Aufsichtsrates gefehlt. So sei etwa für die Übernahme
des Schweizer CD-Händlers CeDe-Shop ungenehmigt ein Rückkauf eigener
Aktien gestartet oder im August 2000 eine Garantieerklärung für einen
Kredit an Libro Deutschland in Höhe von knapp 8 Mill. Euro abgegeben
worden.
Pflichtverletzungen
Auch der Aufsichtsrat dürfte einige Pflichtverletzungen begangen
haben, heißt es in dem Artikel weiter. So sei fraglich, ob die
Bewertung der Deutschland-Tochter und die Vorgänge rund um die
Ausgliederung der Libro Entertainment ausreichend geprüft wurden.
Außerdem hätte eine laufende Berichterstattung urgiert werden müssen.
Auch das Verhalten der Großaktionäre, darunter die
UnternehmensInvest AG, wurde von Staribacher auftragsgemäß
hinterfragt. Kritisiert wird dabei eine Sonderdividende von 440 Mill.
S auf Basis der Neubewertung von Libro Deutschland mit 140 Mill. S.
Eine derart optimistische Bewertung - sie erfolgte durch die
Wirtschaftsprüfung KPMG - könne nicht für Ausschüttungszwecke
herangezogen werden. Die Sonderdividende sei um rund ein Viertel zu
hoch gewesen, zitiert die "Presse" aus dem Gutachten.
Gustostück "kreativer Buchhaltung"
Ein besonderes Gustostück "kreativer Buchhaltung" habe die
Entkonsolidierung der defizitären Internet-Tochter Lion dargestellt.
Begründet wurde das Kunststück damit, dass künftig die deutsche WAZ
das Kommando bei Lion übernehmen werde. Die Verträge mit der WAZ
hätte allerdings vorbehaltlich der kartellrechtlichen Genehmigung
gegolten. Und diese habe nicht existiert.(APA)