Straßburg - Die EU soll eine neue Verfassung erhalten. Deren Grundzüge sollen in einem Konvent mit Mitgliedern aus Parlamenten und Regierungen der 15 EU-Länder und der 13 Kandidatenländer sowie von EU-Parlament und EU-Kommission erarbeitet werden. Schon vor der Eröffnungssitzung am 28. Februar zeigen sich deutliche Differenzen über die Arbeitsweise des Konvents: Während der designierte Präsident Valery Giscard d'Estaing von Öffentlichkeit wenig hält, fordert das EU-Parlament volle Transparenz aller Sitzungen. Zu seiner ersten Meinungsäußerung lud Giscard nur handverlesene Journalisten ein, womit er sich einen Protestbrief der Internationalen Journalistenvereinigung einhandelte. Am liebsten würde Giscard nur einmal im Monat einen Halbtag die öffentlichen Sitzungen des 105-köpfigen Plenums des Konvents einberufen und sonst im kleinen Präsidium hinter geschlossenen Türen den künftigen Verfassungsvertrag vorbereiten. Im "Idealfall" öffentliche Tagungen des Präsidiums Das ist aber für die Delegation des EU-Parlaments ausgeschlossen. Zweimal im Monat müsse es eineinhalb- bis zweitägige öffentliche Sitzungen des Plenums geben, im Idealfall würde auch das Präsidium öffentlich tagen, umreißt der ÖVP-Abgeordnete Reinhard Rack die Position der EU-Abgeordneten. Die neuesten Entwicklungen sollen nicht nur im Internet veröffentlicht werden, das EU-Parlament werde auch Protokoll führen und die Protokolle veröffentlichen. Der Grüne EU-Abgeordnete Johannes Voggenhuber wirft Giscard eine "barocke" Einstellung vor. Der Franzose träume schon von der "Verfassung Giscard d'Estaing". In Wirklichkeit müsse aber der 105-köpfige Konvent mit seiner ganzen Bandbreite die Texte erarbeiten, die für die ganze EU gültig sein sollen. Voggenhuber ist zwar zuversichtlich, dass sich die Abgeordneten mit ihren Arbeitswünschen durchsetzen werden. Sollte Giscard aber nicht rechtzeitig einschwenken, könnte seine Autorität beschädigt werden. Schon bisher habe Giscard mit seinen überzogenen Gehaltsforderungen - die dann auf eine großzügige Spesenpauschale reduziert wurden - viel Porzellan zerschlagen. Vieles wird von den Spielregeln abhängen, die sich der Konvent zu Beginn gibt, sind sich Rack und Voggenhuber einig. Da geht es schon um die Sitzordnung: Nach "politischen Familien" wie das die großen Fraktionen gerne sähen, oder alphabetisch, worin Voggenhuber den Vorteil sähe, dass sich Vertreter von Regierungen und Parlamenten und der verschiedenen Staaten zwanglos mischen würden. Konvent soll geschlossenen Text erarbeiten In einem Punkt scheinen sich aber Giscard und EU-Abgeordnete vorerst einig: Der Konvent soll einen in sich geschlossenen Text erarbeiten und nicht nur ein Optionenpapier, wie sich das die Staats- und Regierungschefs wünschten. Denn formal muss jeder neuer Vertragstext von den Regierungen der Mitgliedsländer ausgehandelt und dann von den nationalen Parlamenten ratifiziert werden. Da wollten die Regierungen möglichst viel Freiheiten, der Konvent könnte aber eine Eigendynamik entwickeln, die den Regierungen nur wenig Wahlmöglichkeit lässt.(APA)