Noch im vergangenen Sommer war Wolfgang Schüssel voll des Lobes. Die Wasserkraftehe zwischen der österreichischen Verbundgesellschaft und dem deutschen E.ON-Konzern sei "kein Ausverkauf, sondern eine Stärkung des Verbundes". Das Eigentum an den Quellrechten wie an Wasser und Flüssen bleibe unangetastet. Wirtschaftsminister Martin Bartenstein bezeichnete die E.ON als Wunschpartner. Etwas mehr als ein halbes Jahr später ist es dem Kanzler plötzlich doch noch ganz wichtig, dass eine "österreichische Lösung" noch eine Chance bekommt, er hoffe auf einen neuerlichen Anlauf. Zwischen der Pressekonferenz mit dem E.ON-Vorstand und dem Bundeskanzler und der neu entdeckten "österreichischen Lösung" liegen neben einigen Monaten Zeit auch 915.000 Unterschriften gegen Temelín. Ein großer Teil von ihnen kam aus den Bundesländern der mächtigen Landeshauptleute Josef Pühringer und Erwin Pröll. Größere Geste Diese beiden haben es offensichtlich verstanden, Schüssel klar zu machen, dass es nun einer größeren "symbolischen" Geste bedürfe, um die aufgebrachten Unterzeichner ein wenig zu beruhigen. Eine Partnerschaft des Verbundes mit dem "Atomriesen" E.ON, noch dazu auf Kosten des niederösterreichischen Landesversorgers EVN, wäre nicht gerade diese erwartete Geste gewesen. Und als sich auch noch die Krone dieses Themas bemächtigte . . . Schüssel hat verstanden. Es gibt immerhin Wichtigeres als eine fundierte Energiepolitik. Das wurde auch bereits in den vergangenen Jahren bewiesen. Wenn der Bundeskanzler in der ORF-"Pressestunde" meinte, eine österreichische Lösung sei bisher immer an den unwilligen Vorständen gescheitert, so lässt dies nur zwei Schlüsse zu:
  • Der österreichische Bundeskanzler hat sich mit dem Aktienrecht bisher nur eher oberflächlich beschäftigt. Alternativ:
  • Dem österreichischen Bundeskanzler ist nicht bekannt, dass sich sämtliche Landesversorger und die Verbundgesellschaft mehrheitlich in Landes- oder Bundeseigentum befinden.
Bereits Wirtschaftsminister Hannes Farnleitner hat sich bald nach Amtsantritt Mitte der 90er-Jahre dafür ausgesprochen, sämtliche Energieerzeuger und alle Leitungsbetreiber in einen schlanken "Energie Austria"-Konzern einzubringen. Nach wenigen Monaten sah er sein Scheitern ein: Der Widerstand der Landeshauptleute, Macht und Einfluss aufzugeben, war zu groß. Auslandspartner Seither haben sich die Länder eigene Auslandspartner zugelegt: Die Steiermark verkaufte ein Viertel ihrer Gesellschaft an den staatlichen französischen Atomriesen Electricité de France, Kärnten verkaufte an die deutsche RWE, die nun an Temelín interessiert ist. Kärntens Landeshauptmann Haider könnte so übrigens Familienzuwachs ins Haus stehen: Kelag und Temelín-Betreiber CEZ als Tochterunternehmen der RWE. In Niederösterreich hat sich dann die Energie Baden-Württemberg eingekauft. Damit ist Österreich zu einem Schlachtfeld internationaler Konzerne geworden. Eine "österreichische Lösung" ist nun deutlich komplizierter geworden. Und das ist gut so. Denn alles, was derzeit als "österreichische Lösung" verkauft wird, ist eine schwere Drohung gegen den Wirtschaftsstandort Österreich. Einzig ein Konzern, in dem alles aufgeht, was in Österreich als Energiekonzern gilt, wäre einen vernünftige Lösung. Doch das wird wieder, wie in der Vergangenheit, an den Landeshauptleuten scheitern. Eine gemeinsame Handelsplattform der heimischen Versorger, wie sie bereits fertig in den Schubläden liegt, ist deshalb in ihrer Entwicklung begrenzt. Bei dieser Qualität der Politik wäre es dem Verbund zu wünschen, dass der Deal mit E.ON doch noch klappt - vorausgesetzt, die Wasserkraft-Bezugsrechte bleiben in Österreich. Schlimmer als die Politiker gehen die Deutschen mit ihren Investments auch nicht um. (DER STANDARD, Printausgabe 7.2.2002)