Tel Aviv - Eine Welle gelungener und unterbundener Anschläge gegen Israelis brach genau zu dem Zeitpunkt los, als Premier Ariel Sharon sich auf den Weg nach Washington machte. Am schlimmsten endete der Überfall auf die Siedlung Hamra im Jordantal, wo in der Nacht auf Donnerstag drei Israelis getötet wurden, darunter eine Mutter und ihre elfjährige Tochter, in deren Haus ein Terrorist eingedrungen war.

Ein Flügel der "Fatah"-Bewegung von Palästinenserchef Yassir Arafat bekannte sich zu dem Anschlag. Zuvor war östlich von Jerusalem ein Selbstmordattentäter, der mit einem Sprengstoffgürtel schon einen öffentlichen Autobus bestiegen hatte, noch überwältigt worden.

Bei Tira wurden auf der israelischen Seite der Grenze zum Westjordanland zwei weitere Terroristen aufgegriffen, die mit einer Bombe im Auto offenbar zu einem Anschlag unterwegs waren. Zur Vergeltung griffen israelische Kampfflugzeuge ein Gebäude der Palästinensischen Behörde in Nablus an, die Palästinenser meldeten elf Verletzte.

Am Mittwoch waren den Israelis zudem erstmals "Kassam"-Raketen in die Hände gefallen - acht Stück davon waren mit Sprengköpfen und Abschussrampen auf einen Lastwagen geladen, der von Nablus vermutlich nach Jenin unterwegs war. Seit langem wurde vermutet, dass die Hamas im Westjordanland mit Duldung der Palästinensischen Behörde die 120-mm-Raketen erzeugt, die mit ihrer Reichweite von mehr als zehn Kilometern israelische Städte treffen könnten.

Die Vorzeichen einer neuen Eskalation schienen Sharon, der US-Präsident George Bush zum Abbruch der Beziehungen mit Arafat überreden möchte, zusätzliche Argumente zu liefern. Die Israelis versuchen offen, eine alternative palästinensische Führung zu forcieren, und nennen dabei meist den Parlamentsprsidenten Abu Alla und die Nummer zwei der PLO, Abu Mahsen. Mittwochabend stellte allerdings US-Außenminister Colin Powell klar, dass seine Regierung nicht erwäge, den Kontakt zu Arafat zu beenden. Das Straßburger EU-Parlament verurteilte am Donnerstag die gezielten Tötungen durch israelische Streitkräfte und die systematische Zerstörung palästinensischer Infrastruktur. (DER STANDARD, Printausgabe 8.2.2002)