Lifestyle
Ombra überm Salzachtal
Hermann Döllerer, vielgerühmter Weinhändler und hochdekorierter Gastwirt zu Golling im Tennengau, verpasste seinem Heimatort eine Enoteca, die sich gewaschen hat
Hermann Döllerer macht den Eindruck eines Mannes, der weiß, was er will. Und der weiß, wie er es erreicht: Das Restaurant in seinem Hotel "Goldener Stern" rangiert seit 1998 unter den mit drei Hauben bewerteten Betrieben bei Gault Millau, auch einen Michelin-Stern hat man aufzuweisen; Hermann Döllerers seit ein paar Jahren betriebener Weinhandel avancierte zu den zuverlässigsten Unternehmungen seiner Art; und die diversen Würste aus der hauseigenen Fleischhauerei - allen voran "Döllerers Frische" - gelten im ganzen Lande sowieso als eigentlich unübertrefflich."Enoteca"
Jetzt befand Hermann Döllerer aber, dass die Kompetenz seiner Weinhandlung nicht ausschließlich Gastronomie und Großkunden vorbehalten bleiben sollte, und ein neues Lager brauchte er ohnehin, weshalb er im kleinen Gewerbepark außerhalb Gollings eine mächtige Halle aufzog, die er mit einer "Enoteca" versah. Zu diesem Zwecke war er voriges Jahr mit seinen Mitarbeitern nach Venedig gereist, sah dort, dass man es schätzt, zur "ombra" (0,1 l) oder "ombretta" (0,05 l) ein paar kleine Happen, "cichetti" genannt, zu verspeisen. Davon ließ sich Döllerer insofern inspirieren, als er die riesige Vinothek mit sagenhafter Auswahl ("650 Wein-Fächer, der Tischler hat ganz schön geschnauft") auch mit einer gut ausgestatteten Antipasti-Bar und ein paar Tischchen ausstattete. Es gibt hausgemachte Sarde in Saor, die wunderbaren Sardinen in Zwiebel-Rosinen-Marinade, es gibt Salami vom toskanischen Kult-Wurstmacher Falorni, 20 Monate gereiften Prosciutto von Brendolini aus San Daniele (Cichetti misti EURO 9) und natürlich die wunderbaren Würste mit dem eigens in Bayern angefertigten Döllerer-Senf, "die ideale Jaus'n halt, mehr braucht man ja gar nicht", meint Hermann Döllerer, "es soll ja nur ein Snack sein, und vor allem keine Konkurrenz zum Restaurant".
"Glasserie"
Hinsichtlich der Sorgfalt sind die beiden aber auf jeden Fall vergleichbar, schließlich werden sogar Bruschetta und Focaccia selbst gebacken, weil "individuell statt industriell, das soll ja unsere Stärke sein". Bei den Weinen herrscht dann jedenfalls schlaraffige Vielfalt, an die zwanzig Weine stehen glasweise auf der Tafel notiert, und was sonst noch offen ist, erfährt man auf Anfrage. Und eine eigene Glasserie kann Hermann Döllerer seit kurzem auch offerieren, aber das wundert einen dann fast schon nicht mehr.
derStandard/rondo/8/2/02