Belgrad - Einige ehemalige Spitzenpolitiker werden sich laut Serbiens Ministerpräsident Zoran Djindjic in Kürze auf der Anklagebank des UN- Kriegsverbrechertribunals in Den Haag neben Expräsident Slobodan Milosevic wiederfinden. Unter anderem sollen der amtierende serbische Präsident Milan Milutinovic, der ehemalige Verteidigungsminister Dragoljub Ojdanic, Exinnenminister Vlajko Stojiljkovic und der ehemalige jugoslawische Vizepremier und derzeit Abgeordnete der Sozialistischen Partei im Bundesparlament, Nikola Sainovic, vor das Tribunal treten."Die Zusammenarbeit Serbiens mit dem Haager Tribunal kann nicht auf guten Willen beschränkt werden, sie muss konkrete Resultate zeigen", erklärte Djindjic. Davon würden die unentbehrliche finanzielle und politische Unterstützung der EU, der US- Administration und der internationalen Finanzorganisationen abhängig gemacht. Serbien werde es nicht zulassen, als Geisel von Einzelpersonen des ehemaligen Regimes zu dienen. Wie bei der Auslieferung von Slobodan Milosevic an das Haager Tribunal ist Djindjic bereit, mögliche Unruhen in Kauf zu nehmen. Serbien und Jugoslawien haben immer noch kein Gesetz, das die Zusammenarbeit mit dem Tribunal rechtlich regelt. Nicht nur die ehemalige Gefolgschaft von Milosevic, auch Staatspräsident Vojislav Kostunica widersetzt sich einer "verfassungs- und gesetzwidrigen" Auslieferung von jugoslawischen Staatsbürgern. Die knappe Mehrheit der Regierung Djindjic im serbischen Parlament könnte nur allzu leicht kippen, das in Serbien regierende Bündnis DOS auch formal zerfallen. Kaum Verständnis Die Hauptanklägerin des Haager Tribunals, Carla del Ponte, zeigt wenig Verständnis für die innenpolitischen Probleme der serbischen Regierung. Sie beharrt weiters auf der Auslieferung von drei hohen Exoffizieren der jugoslawischen Armee, die für die Zerstörung der kroatischen Stadt Vukovar 1991 verantwortlich gemacht werden. Laut del Ponte soll sich auch der ehemalige Oberbefehlshaber der bosnischen Serben, Ratko Mladic, in einer Kaserne in der Nähe von Belgrad, beschützt von mindestens achtzig schwer bewaffneten Soldaten, befinden. Es ist fraglich, ob in Serbien überhaupt eine Polizei- oder Armeeeinheit bereit oder imstande wäre, den "geliebten Kommandanten Mladic" zu verhaften. Für zusätzliche Spannung in Belgrad sorgte das Anwaltsteam von Milosevic. Unter dem Motto "Serbien wird in Den Haag verteidigt" bezeichneten sie abermals das Tribunal als eine "politische" Institution. Die Anklage verfüge über keine konkreten Beweise gegen Milosevic, ihm werde der Prozess wegen "seiner Verantwortung" für begangene Kriegsverbrechen gemacht. Da Milosevic jedoch die Ideen des Volkes verwirklicht habe, stünde das gesamte serbische Volk auf der Anklagebank.(DER STANDARD, Printausgabe 8.2.2002)