Berlin - Nach der Rücktrittsankündigung des Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB), Wim Duisenberg, fürchten Chefvolkswirte großer Banken eine politische Entscheidung über seinen Nachfolger. Durch die frühe Ankündigung Duisenbergs, im Sommer 2003 zurückzutreten, werde "der Posten des EZB-Präsidenten in die Politik hineingezogen", sagte der Chefvolkswirt der HypoVereinsbank, Martin Hüfner, der "Berliner Zeitung" vom Freitag. Nach Ansicht von Thomas Mayer von Goldmann Sachs lässt die lange Übergangszeit die Frage aufkommen, "ob die EZB politisch unabhängig ist". Es entstehe der Eindruck, dass es eine gewisse Verbindung gebe zwischen der Rücktrittsankündigung Duisenbergs und dem Wunsch, dass ihm ein Franzose nachfolge, sagte Mayer der "Berliner Zeitung". Den potenziellen Nachfolger, den französischen Notenbank-Präsidenten Jean-Claude Trichet, halte er zwar prinzipiell geeignet für das Amt. Es sei aber insgesamt bedauerlich, "dass die Nachfolgefrage nach der Staatsangehörigkeit entschieden wird". Der Chefvolkswirt der Dresdner Bank, Klaus Friedrich, begrüßte dagegen die lange Übergangszeit. Es müsse bekannt sein, wann Duisenberg aufhöre, um den Franzosen bei der Entscheidung über die Nachfolge des derzeitigen EZB-Vize Christian Noyer zu helfen, sagte Friedrich. Die Amtszeit des Franzosen läuft bereits Ende Mai aus. Falls Paris aber den Präsidenten stellen will, muss es auf die Besetzung des Vize-Posten durch einen Landsmann verzichten. Duisenberg hatte am Donnerstag überraschend seinen vorzeitigen Rücktritt für den 9. Juli 2003, seinem 68. Geburtstag, angekündigt. Als sein designierter Nachfolger an der EZB-Spitze gilt seit Jahren Trichet; ihm droht aber eine Anklage im Skandal und falsche Bilanzen der einstigen Staatsbank Credit Lyonnais. (APA/AFP)