International
Antiamerikanische Stimmung in Teheran nimmt zu
Teheran lehnt neuen britischen Botschafter ab
London/Teheran - Die iranische Regierung hat die
Akkreditierung eines neuen britischen Botschafters in Teheran
verweigert. Dies teilte das Außenministerium in London am Freitag
mit. Nach wochenlangem Tauziehen um die Ernennung von David Reddaway
(48) habe Teheran offiziell wissen lassen, dass der Karrierediplomat
nicht willkommen sei. London werde die Botschaft in Teheran vorerst
durch einen Geschäftsträger leiten lassen, wurde mitgeteilt. Reddaway war von konservativen iranischen Zeitungen als "jüdischer
Spion" des britischen Auslandsgeheimdienstes MI6 diffamiert worden.
Das britische Außenministerium wies darauf hin, dass der Diplomat
weder jüdischer Abstammung "noch ein Spion" sei. Reddaway, der aus
einer Diplomatenfamilie stammt, war schon zwei Mal zuvor im
auswärtigen Dienst in Teheran stationiert. Er ist mit einer Iranerin
amerikanischer Herkunft verheiratet und spricht fließend Persisch
(Farsi).
London fürchtet negative Auswirkungen auf Beziehungen mit Teheran
In diplomatischen Kreisen in London wird nun befürchtet, dass sich
der Streit negativ auf die als gut beschriebenen Beziehungen zwischen
London und Teheran auswirken könnte. Offenbar hätten die
konservativen Kräfte in der Regierung in der Auseinandersetzung um
den Diplomaten obsiegt.
Auch der Zeitpunkt der iranischen Entscheidung sei äußerst
unglücklich, hieß es in London. Gerade wegen der sich
verschlechternden Beziehungen zwischen Washington und dem Iran hatte
die britische Regierung auf eine Fortsetzung eines relativ
reibungslosen Verhältnisses gehofft.
Die Beziehungen hatten sich nach der Beilegung der Krise um den
anglo-indischen Schriftstellers Salman Rushdie 1998 deutlich
verbessert. Außenminister Jack Straw hat seitdem zwei Mal den Iran
besucht. Straw wollte sich dabei der Unterstützung des Iran für den
von den USA geführten Kampf gegen den Terrorismus nach den Anschlägen
vom 11. September versichern. In den Kreisen hieß es, London werde
sein kritisches Engagement im Iran fortsetzen, aber der Dialog werde
jetzt mit Sicherheit "kritischer" werden.
Tausende skandieren beim Freitagsgebiet "Nieder mit Bush!"
Die jüngsten Angriffe von US-Präsident
George W. Bush gegen das zur "Achse des Bösen" gerechneten Landes
haben im Iran wieder eine betont antiamerikanische Stimmung
hervorgerufen. Tausende Menschen skandierten beim traditionellen
Freitagsgebet in der Teheraner Universität: "Nieder mit Bush!"
Sie brachten ihre Empörung über die Haltung von US-Präsident George
W. Bush und das "zionistische Gebilde" (Israel) zum Ausdruck.
Als Imam des Freitagsgebets erinnerte der frühere Staatspräsident
Ali Akbar Hashemi Rafsandjani an die "zahllosen" amerikanischen
Interventionen in der Region und an die US-Unterstützung für das 1979
durch die islamische Revolution gestürzte Schah-Regime. Am Vortag
hatte der oberste geistliche Führer Ayatollah Ali Khamenei die
USA vor einer "Aggression" gegen sein Land gewarnt. Vor hohen
Armeeoffizieren sagte er, die Antwort des iranischen Volkes auf eine
Provokation wäre mit Sicherheit eine "sehr starke". Die Streitkräfte
und das ganze Volk müssten in der gegenwärtigen Situation wachsam
sein.
Die israelische Regierung und Generalstabschef Shaul Mofaz hatten
am Dienstag scharfe Warnungen an die Adresse Teherans gerichtet.
Verteidigungsminister Benjamin Ben-Eliezer forderte die USA auf,
gegen Terroristen im Libanon vorzugehen, die vom Iran gesteuert
würden. Der Iran werde spätestens 2005 über eine Atombombe verfügen,
sagte Ben-Eliezer.(APA/dpa/Reuters)