Wulkaprodersdorf/Sopron - "Vorläufig nennen wir sie noch ,Puszta-Stiere', ob das so bleibt, weiß ich nicht." Csaba Székely, der einzige österreichische Vorstandsdirektor mit unüberhörbar ungarischen Wurzeln in der Raab-Oedenburg-Ebenfurter-Eisenbahn AG (ROeEE), wälzt im Gespräch mit dem STANDARD - augenzwinkernd - mögliche zugkräftige Spitznamen für 9500 PS starke Elektrolokomotiven. Die bei den ÖBB eben "Taurus" gerufen werden. Und die ÖBB sollen gefordert, aber gleichzeitig nicht zu sehr verärgert werden von der kleinen, im Unterschied zu anderen heimischen Privatbahnen aber profitablen AG. Fünf Stück der von Siemens-Transportation gebauten "Stiere" bekommt die "Raaberbahn" Mitte des Jahres geliefert. Die mächtigen Geräte, Stückpreis 2,9 Mio. Euro (40 Mio. S), sind so genannte Zweifrequenzloks. Damit kann sowohl auf dem eigenen Netz wie auch in jenem der ÖBB gefahren werden, deren Oberleitungen unterschiedliche Spannungen und Frequenzen abgeben. Die Stammstrecke der Raaberbahn führt vom ungarischen Industriestandort Györ/Raab über die Komitatshauptstadt Sopron/ Ödenburg nach Wulkaprodersdorf/Vulkapordányi im Bezirk Eisenstadt bis ins niederösterreichische Ebenfurt. Historischer Schritt Ein historischer Schritt für die 127 Jahre alte Eisenbahn, das weiß Székely, der zuvor Kabinettsmitglied bei zwei Verkehrsministern war, sehr genau. Jetzt könnte im Zuge der Güterverkehrsliberalisierung ab 2006 "rausgefahren" und so den ÖBB Konkurrenz auf "ihren" Trassen gemacht werden. Und im Warentransport aus dem Osten ist die Raaberbahn seit Jahrzehnten top, geprägt in Zeiten des eisernen Vorhangs, als das k.u.k. Relikt ROeEE noch eine Art Loch darin war. "Aber wir sind ja keine Kamikaze-Bahn", sagt dazu der ungarische General des Zwei-Nationalitäten-Vorstands, János Berényi. "Es wird wohl eine Mischung aus Kooperation und Konkurrenz werden", ergänzt Székely, "wir wollen zuerst per Lokpool mit den ÖBB zusammenarbeiten." Die ROeEE - ungarisch: GySEV, "Györ-Sopron-Ebenfurti Vasút" - steht vor einer zweiten Großinvestition: Per 1. Dezember 2001 übernahmen die Raaberbahner von den ungarischen Staatsbahnen (MAV) die Strecke Sopron-Szombathely/Steinamanger. "Alte Südbahn" neu "Ein Teil der alten Südbahn", erklärt Székely - und völlig desolat. "Höchstgeschwindigkeit derzeit 60 km/ h." Heuer noch müssen fünf Mio. Euro investiert werden, "wir müssen 10.000 Holzschwellen tauschen". Spätestens 2004 soll die Strecke elektrifiziert und mit 120 km/h befahren werden können, insgesamt 35 Mio. Euro sollen investiert werden - finanziert teilweise aus ungarischen und EU-Fördertöpfen. Die Strecke sei "ein Ass im Ärmel", weil der Semmering-Bahntunnel politisch verhindert wird. Im Güterverkehr wurde die Raaberbahn zu einem wichtigen Player, im Vorjahr rollten insgesamt 6,1 Mio. Tonnen über das Streckennetz. Zum Vergleich: Über den Brenner gehen im grenzüberschreitenden Schienenverkehr jährlich acht Mio. Tonnen. Im - als Umsatzfaktor weniger wichtigen - Personenverkehr Wien-Sopron-Lackenbach hofft Székely auf Impulse durch die EU-Osterweiterung. (Leo Szemeliker, DER STANDARD, Printausgabe 9.2.2002)