Grafik: DerStandard
Einmal im Monat hatte Bernhard Jagoda seinen großen Auftritt: Dann trat der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit vor die Presse und verkündet die neuesten Arbeitslosenzahlen. Dabei hatte sich der 61-Jährige dem Anlass entsprechend stets in graubraune Anzüge gekleidet und trug mit etwas traurigem Gesicht Hiobsbotschaften vor. Dass die Lage auf dem deutschen Arbeitsmarkt eigentlich noch trister als angenommen ist, wurde erst durch einen Bericht des Rechnungshofes bekannt. 70 Prozent der als erfolgreich verbuchten Vermittlungen sollen gar nicht zustande gekommen sein, ergaben Stichproben. Damit ist klar, dass die Zahl der Arbeitslosen noch höher als die offiziell bekannten 4,3 Millionen sein muss. Der Druck auf Jagoda wurde verstärkt, als bekannt wurde, dass er offensichtlich Mitteilungen von Mitarbeitern über Missstände ignoriert hat. Die Weitergabe kritischer Berichte soll er sogar verhindert haben. Bei einem Großteil seiner Mitarbeiter ist Jagoda jedoch beliebt, da er als jovial und erdverbunden gilt - ein richtiger Kumpeltyp, der personifizierte nette Mann vom Amt. Gerne geht er nach getaner Arbeit in Kneipen, um sich bei einem Bier zu entspannen und mit anderen Menschen ins Gespräch zu kommen. Seit 1993 steht der gebürtige Oberschlesier an der Spitze der Mammutanstalt mit rund 90.000 Beschäftigten. Zuvor hatte er unter Arbeitsminister Norbert Blüm (CDU) als Staatssekretär gedient. Allseits gelobt Bis vor kurzem genoss der engagierte Christ auch das Vertrauen von Blüms sozialdemokratischem Nachfolger Walter Riester, der 2001 Jagodas Amtszeit um vier weitere Jahre verlängerte. Jagodas Loyalität wurde im Ministerium bisher allseits gelobt, ebenso seine Sachkenntnis. Begonnen hat Jagoda seinen Berufsweg in der Stadtverwaltung Treysa in Hessen, wo er unter anderem im Sozialhilfebereich tätig war. Im hessischen Landtag und ab 1980 im Bundestag machte sich der zweifache Familienvater als Sozialpolitiker einen Namen. Da die rot-grüne Regierung wegen der geschönten Statistiken in öffentlicher Kritik steht, könnte ein Rückzug Jagodas Druck aus der pikanten Angelegenheit nehmen. Erste Federn musste der Präsident bereits lassen, ihm wurden Kompetenzen entzogen. Doch Jagoda wehrt sich und verkündete: "Der Kapitän geht nicht von der Brücke, wenn Sturm ist." Und ergänzte: "Jetzt haben wir Sturm." Als Beamter auf Zeit verlöre er durch einen Rücktritt sämtliche Versorgungsansprüche. Für eine Kündigung hingegen müssten ihm persönliche Dienstvergehen nachgewiesen werden. Am Freitag hielt Jagoda noch daran fest, dass er wie vorgesehen erst in drei Jahren in Pension gehen werde. Aber in Wahlkampfzeiten gehen die Uhren mitunter schneller. (Alexandra Föderl-Schmid, DER STANDARD, Printausgabe 9.2.2002)