Wiener Neustadt - Er bereue zutiefst, durch sein
Fehlverhalten psychische Schäden bei seinen - damals minderjährigen
bzw. jugendlichen - Opfern verursacht zu haben. Der Geistliche Josef
W. (46) bekannte sich heute, Montag, am Landesgericht Wiener Neustadt
vollinhaltlich schuldig. Die Anklage warf dem inzwischen vom
Schulseelsorgedienst abgezogenen Ordenspriester sexuelle Übergriffe
auf sechs seiner Schützlinge - Ministranten und Hauptschüler - in den
Jahren 1989 bis 1997 vor.
Die Vorfälle hatten sich in der Pfarre Bromberg in der Buckligen
Welt zugetragen. Im vergangenen Herbst hatten zwei inzwischen
volljährige junge Männer ihren damaligen Ministrantenführer
angezeigt. Der heute 28-Jährige gab an, selbst von seinem Kaplan
missbraucht worden zu sein. Herbert W. wurde Ende Jänner am LG Wiener
Neustadt von einem Schöffensenat - ebenfalls unter Richtervorsitz von
Ingeborg Kristen - zu zwei Jahren Freiheitsstrafe, davon 18 Monate
bedingt, verurteilt.
Im Falle sexuellen Missbrauchs stimme das Sprichwort "Die Zeit
heilt alle Wunden" nicht, betonte Staatsanwalt Johann Fuchs unter
Hinweis auf die psychischen Folgeschäden für die Opfer. Kriminell sei
der Beschuldigte dadurch geworden, dass er seine homosexuellen
Neigungen an Unmündigen ausgelebt habe. Die Anklage lautete auf
schweren sexuellen Missbrauch sowie Unzucht mit Unmündigen, weiters
auf Missbrauch des Autoritätsverhältnisses und sittliche Gefährdung
von Jugendlichen, indem er ihnen Pornohefte bzw. -filme gezeigt
hatte.
Keinen "Mumm"
Rechtsanwalt Wolfgang Graziani-Weiss verwies darauf, dass sein
Mandant einen finanziellen Schadensausgleich angeboten habe, den zwei
der Opfer bereits angenommen haben. W. selbst habe seine
Tathandlungen 1997 eingestellt, sei nicht mehr im
Jugendseelsorgedienst tätig und in therapeutischer Behandlung. Damals
habe er jedoch nicht "den Mumm" gehabt, von sich aus um Versetzung zu
bitten, räumte der Angeklagte ein.
Der 46-Jährige hatte den Beruf des Bürokaufmanns erlernt, ehe er
das Aufbaugymnasium Horn absolvierte, 1981 maturierte und ins Stift
Reichersberg (OÖ) eintrat. Der Augustiner-Chorherr wurde 1988 zum
Priester geweiht,1989 wurde er der Pfarre Bromberg im südlichen
Niederösterreich zugeteilt. Vor der Richterin sprach W. von einer
"sehr persönlichen Zuneigung", die er zu einem seiner Opfer gefasst
hatte. Mit dem damals 13-Jährigen kam es mehrmals zum Oralverkehr,
wobei der Kaplan dem Buben "gelegentlich" 100 Schilling gab. Weiters
hat er laut Anklage u.a. einen Hauptschüler "begrapscht". Die
Vorfälle mit Ministranten ereigneten sich beim Umziehen vor den
Messen, in der Wohnung des Beschuldigten im Pfarrhof, in dessen Auto
und zuletzt in einem Zeltlager in Oberösterreich.
Fuchs forderte eine teilbedingte Freiheitsstrafe - unter Hinweis
auf die generalpräventive Wirkung und das Signal an alle im Lehrberuf
Tätigen, dass derartige Vergehen bzw. Verbrechen nicht geschehen
dürften. Ein Urteil sollte zu Mittag fallen. (APA)