Caracas - In Venezuela mehren sich die Anzeichen für einen drohenden Umsturz. Nach der kurzen Rebellion von Oberst Pedro Soto stellte sich am Sonntag ein zweiter Militärbefehlshaber öffentlich gegen den linkspopulistischen Präsidenten Hugo Chavez. Dieser habe nach vier Jahren bereits "zu viel Zeit" an der Macht verbracht und müsse zurücktreten, forderte der Hauptmann der Nationalgarde, Pedro Flores, der Zeitung "El Universal de Caracas". Zuvor hatte der Bürgermeister der Hauptstadt Caracas vor einem Staatsstreich durch Chavez gewarnt. Chavez' Bilanz sei negativ: "Korruption, Vaterlandsverrat, Militarisierung, Kubanisierung" und die Gängelung der demokratischen Institutionen hätten das Land an den Rand des Abgrunds gebracht, sagte Hauptmann Flores in dem Zeitungsinterview. Die "große Mehrheit der Streitkräfte" teile seine Meinung. Das Offizierskorps könne "innerhalb von Stunden" rebellieren. Caracas' Stadtoberhaupt Afredo Pena warnte, Chavez plane offenbar einen Staatsstreich von oben. Mit einem selbst inszenierten Putsch wolle er möglicherweise die Verhängung des Ausnahmezustands rechtfertigen. Der Präsident sei zum "Element der Störung, des Hasses und der Teilung" geworden. Er solle das Land verlassen, bevor es zu spät sei, forderte Pena. Der konservative Bürgermeister, der 1999 für mehrere Monate als Staatsminister unter Chavez amtierte, gilt heute als sein Erzfeind. Die beiden Militärs Soto und Flores wollten sich nach eigenen Angaben am Montag den Armeebehörden stellen. Nach venezolanischem Recht ist ihnen jede politische Betätigung untersagt. Dass sie bisher nicht inhaftiert wurden, werten Beobachter als Hinweis auf die Absicht der Regierung, eine Konfrontation mit den Oppositionskräften zu vermeiden. Doch Chavez, der nach wie vor über starken Rückhalt unter der verarmten Bevölkerung verfügt, schlug noch am Sonntag (Ortszeit) verbal zurück. Im chilenischen Fernsehen warf den von der Opposition beherrschten Medien vor, die öffentliche Meinung zu manipulieren und Umfragen zu seinen Ungunsten zu fälschen. Luftwaffenoberst Soto hatte bei seiner Rebellion am Donnerstag schweres Geschütz gegen den demokratisch gewählten Chavez aufgefahren. Er forderte ihn zum Rücktritt auf und erklärte, in einem Land, in dem der Präsident den Obersten Gerichtshof, das Parlament und die Armee manipuliere, könne von Demokratie keine Rede sein. Die Militärpolizei nahm Soto, der angab, im Namen von 75 Prozent der Militärs zu sprechen, daraufhin fest. Eine aufgebrachte Menschenmenge befreite ihn schließlich und marschierte mit ihm zur Residenz von Chavez, wo eine Protestkundgebung stattfand. Schon seit Monaten schwelt Unmut in dem südamerikanischen Land. Obwohl Venezuela durch seine riesigen Ölreserven zu den reichsten Länder Lateinamerikas gehört, leben nach amtlichen Angaben mittlerweile achtzig Prozent seiner Bevölkerung in Armut. Der US-Regierung ist Chavez, der aus seiner Sympathie mit der Linksguerilla in Kolumbien keinen Hehl macht, schon seit längerem ein Dorn in Auge. Der ehemalige Fallschirmjäger, der es bis zum Oberstleutnant brachte, hatte 1992 einen missglückten Putschversuch gegen die Regierung des Sozialdemokraten Carlos Andres Perez unternommen und war dafür ins Gefängnis gekommen. Sechs Jahre später wurde er zum Präsidenten gewählt.(APA)