Wien - "Immer mehr Betriebe gehen dazu über, sich von kranken Arbeitern einvernehmlich zu trennen. So können die Kosten für den Krankenstand sofort auf die Krankenkassen überwälzt werden. Allein in Niederösterreich werden gerade 32 Fälle geprüft." Christa Kranzl, Soziallandesrätin in Niederösterreich (SP) stört nicht nur der starke Druck, dem kranke Arbeiter ausgesetzt sind. Als Unternehmerin hat die Politikerin auch ein gewisses Verständnis dafür, dass vor allem die Kleingewerbetreibenden diese gesetzliche Lücke nützen. Unternehmer müssen sechs Wochen lang für ihre erkrankten Arbeiter weiterzahlen, erst dann übernimmt die Krankenkasse. Bei einer einvernehmlichen Lösung des Arbeitsverhältnisses muss die Kasse sofort einspringen. "Fälle hinterfragen" "Wir sind erpicht darauf, solche Fälle zu hinterfragen", bestätigt der Bezirksstellenleiter der NÖ Gebietskrankenkasse, Johannes Neugschwentner. Vor allem bei Personalverleihern häufen sich die Fälle. Konkret fragt die Kasse dann bei den kranken Arbeitern nach, wie es zu dieser einvernehmlichen Lösung gekommen sei. "Die Leute bekommen von uns ja nur mehr die Hälfte des alten Bruttolohnes." Er glaubt nicht, dass die Betroffenen unter dieser Voraussetzung zustimmen. Landesrätin Kranzl weiß, was zu tun wäre: "Ich bin dafür, das alte Versicherungssystem wieder einzuführen, das die schwarz-blaue Regierung Ende 2000 abgeschafft hat. Und zwar im Interesse der klein- und mittelständischen Wirtschaft und im Interesse der Arbeitnehmer". Früher mussten alle Betriebe für ihre Arbeiter 2,1 Prozent der Lohnsumme für Krankheitsfälle in den Entgeltfortzahlungsfonds (EFZ) einzahlen. Im Krankheitsfall bekamen Kleinbetriebe die vollen Lohnkosten und 30 Prozent der Lohnnebenkosten zurück, Großbetriebe 70 Prozent der Lohnnebenkosten. Wirtschaftsminister Bartenstein schaffte dieses wirtschaftsinterne Versicherungssystem Ende 2000 ersatzlos ab. Auch René Alfons Haiden vom Freien Wirtschaftsverband kennt die Problematik, die Betriebe mit zwei, drei, vier oder fünf Arbeitern voll treffe. Die Kosten auf die Krankenkassen abwälzen sei jedenfalls nicht "im Sinne des Erfinders". Haiden tritt dafür ein, das alte System für Kleinbetriebe bis zu zehn Mitarbeitern wieder einzuführen. Njet von der Wirtschaftskammer Ein klares Njet kommt von der Wirtschaftskammer Österreich: "Volkswirtschaftlich war die alte Lösung die schlechtere", sagt der Generaldsekretärvize Reinhold Mitterlehner. Die Krankenstände seien leicht zurückgegangen, es gebe private Versicherungslösungen. Betriebe, die sich bei den anderen abputzen, seien Einzelfälle, die es früher auch schon gegeben habe. Für echte Härtefälle, wenn etwa alle zwei Mitarbeiter eines Kleinstbetriebes erkranken, überlegt die Kammer eine interne Lösung. (Lydia Ninz, DER STANDARD, Printausgabe 12.2.2002)