Mit den Luftangriffen auf Gebäude im Gazastreifen und dem kurzen Vorstoß in die Autonomiestadt Nablus weitete Israel am Montag seine Vergeltungsschläge aus. Kampfflugzeuge und Militärhubschrauber nahmen das Hauptquartier der palästinensischen Sicherheitskräfte in Gaza unter Beschuss. Bei dem Angriff wurden mindestens 37 Palästinenser verletzt.

Weil die Palästinenser jetzt aber auch Raketen in die Schlacht werfen könnten, sehen israelische Kommentatoren die Gefahr eines "veränderten Konflikts" und sogar eines "Kriegs". Am Sonntag hatten zwei Kleinraketen vom Typ "Kassam-2", die vermutlich von der Palästinensergruppe Hamas erzeugt werden, erstmals israelischen Boden getroffen - sie wurden aus dem Gazastreifen abgefeuert und schlugen in zwei Feldern tiefe Krater.

Seit vorige Woche acht der 120-mm-Raketen auf einem Lastwagen bei Nablus abgefangen wurden, besteht kein Zweifel mehr daran, dass die "Kassam-2" auch schon im Westjordanland gelagert wird. Mit ihrer Reichweite von rund acht Kilometern könnte sie grenznahe israelische Städte treffen, um die Raketen zu neutralisieren, müssten israelische Bodentruppen große Portionen des Autonomiegebiets wieder besetzen.

Keine Eskalation riskieren

Erst vor einigen Tagen hatte Verteidigungsminister Benjamin Ben-Elieser angedeutet, dass die Reaktion eine neue Qualität bekommen könnte: "Wenn sie beginnen, die Kassam-2 zu benützen, wird Israel nicht stillhalten können." Die israelische Führung war aber im Dilemma, weil Premier Ariel Sharon in Washington offenbar grünes Licht für die Fortsetzung der bisherigen, relativ begrenzten Schläge gegen das Arafat-Regime bekommen hatte, gleichzeitig aber aufgefordert worden war, keine Eskalation zu riskieren.

Der neue Plan der EU, der palästinensische Wahlen zur Bestätigung des mutmaßlichen Friedenswillens und danach die Ausrufung eines Palästinenserstaats vorsieht, wird in Israel indessen kaum beachtet und als Signal europäischen Unwillens gegen die Antiterrorkampagne der Amerikaner abgetan.

Die Palästinenser begrüßten die Erklärung der EU-Außenminister zwar als "positiven Schritt", der "alle israelischen Ziele der Zerstörung des Friedensprozesses ausschaltet", im Inhalt stieß die Initiative aber auf Skepsis: Wahlen würden zum jetzigen Zeitpunkt bloß die Extremisten stärken, zudem hätte man keine Sicherheit, am Ende alle geforderten Gebiete zu bekommen, wenn man sich in einer ersten Phase schon mit einem Staat in engen Grenzen zufrieden gebe.

(DER STANDARD, Printausgabe, 12.2.2002)