Innsbruck - Als Gymnasiast hat Michael Klein Ende der Fünfzigerjahre erste Rezensionen ausgeschnitten und säuberlich aufgeklebt - nicht ohne zuvor die Rückseiten abzutippen, denn Kopiergeräte waren rar. Heute, nachdem der Germanist die Leidenschaft auch "aus inhärenter Notwendigkeit zur Kontinuität" nie lassen konnte, bietet das von ihm aufgebaute Innsbrucker Zeitungsarchiv zur deutsch- und fremdsprachigen Literatur (IZA) die Artikel online an: als erste große Dokumentationsstelle für die Alltagsrezeption von Literatur in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Seit kurzem ist das der Innsbrucker Germanistik angegliederte IZA als erste geisteswissenschaftliche Einrichtung im deutschen Sprachraum auch als Marie-Curie-Training-Site anerkannt: als qualifizierte Ausbildungsstätte für Doktoranden und Forscher aus der EU und mit der EU assoziierten europäischen Staaten.Auf rund eine Million Artikel zu gut 50.000 Autoren hat sich die ehemals private Sammlung Kleins seit 1960 vergrößert. Sie wächst wöchentlich um 900 Beiträge. Aus 32 deutschsprachigen Tages- und Wochenzeitungen sowie 36 Kulturzeitschriften werden Notizen, Rezensionen, Interviews, Essays ausgewertet, vom Nibelungenlied bis Jelinek, von der Négritude zur Rechtschreibdebatte, von Pasolini zum Tod Bourdieus. Zudem verfügt das IZA über 6000 Radio- und TV-Produktionen zur deutschsprachigen Literatur. Und über die größte Hörspielsammlung außerhalb einer Rundfunkanstalt. Alle seit Oktober 2000 erschienenen Artikel können neuerdings elektronisch gefunden werden. Die Hälfte davon, also von jenen 22 Periodika, die wie der STANDARD ihre Rechte freigaben, ist kostenlos verfügbar - und zwar als Bild im Layout der Printausgabe. Ermöglicht wird der Onlinezugriff durch die beiden vom IZA initiierten, von der EU bzw. dem Innovationenministerium geförderten Projekte LAURIN und LAURIN plus. Dabei wird ein umfassendes Modell zur Digitalisierung und elektronischen Archivierung von Zeitungsausschnitten entwickelt. Denn räumlich wie personell stoßen spezialisierte Papierarchive an Kapazitätsgrenzen, zudem wächst das Bedürfnis nach Orientierungshilfen im unübersichtlicheren Informationsangebot. Marie-Curie-Stipendiaten finden beim IZA Grundlagen für Forschungen zu Literaturkritik und Literaturvermittlung in audiovisuellen Medien. Sie werden von Wissenschaftern verschiedener Philologien betreut. Die EU zahlt 1200 Euro monatlich (16.500 Schilling) und Fahrtkosten, die maximale Aufenthaltsdauer beträgt ein Jahr, die Altersgrenze ist 35. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12. 2. 2002)