Arbeitsmarkt
Traum vom Lebensjob ist ausgeträumt
Lernen - Der Schlüssel für Beschäftigung
Viele Millionen neuer Jobs
sind Ende der Neunzigerjahre
weltweit entstanden, Zigtausende davon auch in Österreich. Der Traum von flexibler
Arbeitszeit und gutem Einkommen in der New Economy
währte jedoch nur kurz. Mit
dem Bankrott vieler Internetfirmen standen plötzlich auch
bestens qualifizierte Leute auf
der Straße. Trotzdem ist Arbeitslosigkeit noch immer ein Schicksal, das hauptsächlich Menschen in fortgeschrittenem Alter und mit keiner bis schlechter Ausbildung trifft. Von den
knapp 300.000 Personen, die
in Österreich im Jänner ohne
Arbeit waren, verfügten rund
240.000 nur über eine Volksschulbildung.
Lebenslanges Lernen
Weiterbildung und lebenslanges Lernen werden nach
Ansicht von Gundi Wentner
vom Personalberatungsunternehmen Wentner
&
Havranek
in Zukunft einen noch größeren Stellenwert haben als bisher. Die Zahl der Arbeitsplätze
in produktionsnahen Bereichen werde auch in Österreich in den kommenden Jahren
weiter zurückgehen. Anstelle
von Fließbandarbeiten seien
verstärkt "Wissensarbeiter"
gefragt. "Die Wertschöpfung
wird in Zukunft aus der Innovation kommen", sagte Wentner.
Als weiteren Trend machte
die Personalberaterin eine
weitere Flexibilisierung bei
der Arbeitszeit und bei den
Arbeitsverhältnissen aus.
Teilzeitarbeit werde zunehmen, die Zahl der geringfügig
Beschäftigten weiter steigen.
Jobs wackeln
Bei großen Unternehmen
mit internationalen Eigentümern sei schon seit längerer
Zeit die Tendenz zu beobachten, Forschungs- und Entwicklungsabteilungen in die
Nähe der Konzernzentralen zu
konzentrieren. Jobs in der
Produktion würden mehr und
mehr dort entstehen, wo die
Arbeit billiger ist, etwa in mittel- und osteuropäischen
Beitrittsländern. Verwaltungseinrichtungen hingegen
würden vermehrt in Steueroasen abgezogen. Dies wirke
sich ebenfalls nachteilig auf den österreichischen Arbeitsmarkt aus.
Grasser optimistisch
Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Bartenstein
sah die Lage weniger dramatisch und setzte auf den Wirtschaftsaufschwung. "Wir gehen davon aus, dass das Wiederanspringen der Konjunktur mit drei- bis sechsmonatiger Verzögerung auch die Situation am Arbeitsmarkt verbessern wird", sagte Bartenstein. Allein durch die im
Rahmen des Generalverkehrsplans beschlossenen Investitionen in den Schienen-
und Straßenausbau sollten
heuer 8000 bis 10.000 zusätzliche Arbeitsplätze entstehen;
im Jahr 2003 sollten dann
nochmals rund 12.000 neue
Jobs zu den bereits bestehenden dazukommen.
Zusätzliche Mittel für aktive
Arbeitsmarktpolitik hielt Bartenstein in der derzeitigen
Situation nicht für notwendig.
"Das Arbeitsmarktservice hat
auch heuer wieder rund 800
Millionen Euro (etwa elf Milliarden Schilling) für aktive
Arbeitsmarktpolitik zur Verfügung und hat gute Projekte
laufen. Das sollte reichen."
Rieder: Mittel gefordert
Sepp Rieder, Finanzstadtrat
in Wien und Vizebürgermeister der besonders arg von
Langzeitarbeitslosigkeit gebeutelten Bundeshauptstadt,
war gegenteiliger Ansicht.
Gerade in Zeiten, wo die Arbeitslosigkeit wieder stark
steigt, sollten mehr Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik
zur Verfügung gestellt werden.
Die Arbeitslosigkeit sei
auch "Ausdruck struktureller
Verschiebungen", sagte Rieder, und da müssten mehr
Mittel für Qualifizierungsmaßnahmen bereitgestellt
werden. Zusammen mit dem AMS Wien werde der Wiener
Arbeitnehmerförderungsfonds (WAFF) nun eigene
Schulungsprogramme in die
Wege leiten. Außerdem wolle
Rieder in Anlehnung an das
deutsche Kombi-Lohnmodell
für den Niedriglohnbereich
auch in Wien eine ähnliche
Initiative starten. "Wir wollen
uns anschauen, was das
bringt." Bei dem in Rheinland-
Pfalz erprobten Modell erhalten Langzeitarbeitslose und
Sozialhilfeempfänger bei
Aufnahme einer Arbeit Zuschüsse zu den Sozialversicherungsbeiträgen.
Kombi-Lohn fraglich
Bartenstein zeigte sich davon wenig angetan. Berechnungen zufolge würde der
Kombi-Lohn in Deutschland
nur rund 30.000 neue Jobs
bringen. "Heruntergebrochen
auf Österreich wären das 3000
Arbeitsplätze. Ich glaube, dass
wir mit der besonderen Eingliederungshilfe in Österreich
besser fahren und dass das
AMS diesen Weg weitergehen
sollte", sagte Bartenstein.
Qualifikation war auch für
Wolfgang Tritremmel von der Industriellenvereinigung der
"Schlüssel für mehr Beschäftigung". Man müsse sich "zukunftsfähig halten durch laufendes Dazulernen".
Wie Bartenstein wies Tritremmel darauf hin, dass Österreich im EU-Vergleich die
drittniedrigste Arbeitslosenquote hat. Nur die Niederlande und Luxemburg hatten in
den vergangenen Monaten
noch weniger Leute auf Jobsuche gehabt. Die Verwaltungsreform müsse vorangetrieben
werden, das dadurch frei werdende Geld könnte für Qualifizierungsmaßnahmen eingesetzt werden.
Nach Ansicht von Georg Ziniel, Sozialexperte der Arbeiterkammer, seien die existenzsichernden Leistungen in
Österreich "noch immer viel
zu gering". Arbeitslosigkeit
stelle für viele Personen eine
Bedrohung dar, weil es oftmals extrem schwer sei, nach
dem Jobverlust sofort wieder
eine neue Anstellung zu finden. Auf den Konjunkturaufschwung zu hoffen sei zu wenig. Die öffentliche Hand
müsse vermehrt in Schulungen investieren. (Günther Strobl, Der Standard, Printausgabe, 13.02.02)