Eigentlich sollte man sie langsam ignorieren, die ständigen Wortmeldungen aus einer Ecke, deren Verständnis von Universitäten aus dem Baustoffhandel, der Waschmittelherstellung oder aus Supermarktstrategien stammt. Und eigentlich sollte man den Stehsatz von Marktgerechtigkeit, Angebot und Nachfrage dorthin verweisen, wo er zu Hause ist, an jene Krämergesellschaft, die inzwischen den Erdball umspannt und wahrscheinlich bald auf Mond und Mars neue Filialen errichten wird. Schafft sie doch endlich ab, die Universitäten, ersetzt sie durch Wifi-Filialen, Fachhochschulen, Business-Schools, Management-Centers, Computerkurse, pharmazeutische Forschungslabors und veranstaltet daneben in Gottes Namen noch ein paar Volkshochschulkurse - mit entsprechenden Einschreib-und Studiengebühren - für Nachdenkliche, Reflexionssüchtige und sonstige Zurückgebliebene! Die jüngsten Äußerungen aus der sich gerne zu Wort meldenden Wirtschaftskammer ("Für frei wählbare Studiengebühren", STANDARD, 7. 2.) lassen jedenfalls Schlimmstes befürchten und erinnern in ihrer Praxisbesessenheit an so manche längst vergangen geglaubte marxistische Grunddogmen. Denn schon damals, um 1968 und danach war der "Elfenbeinturm", in dem sich Wissenschaft und Universitäten angeblich verkrochen haben, Hauptziel der Angriffe seitens der marxistisch inspirierten Studentenbewegung. Kein Wunder - steht doch auch und gerade im Marxismus die Macht der Ökonomie als treibende Kraft im Zentrum gesellschaftlich-geschichtlicher Entwicklungen. Dass die Akzente nun anders gesetzt werden, ändert nichts an der Stoßrichtung: Die theorie- und reflexions- orientierte Universität, die sich gegen staatliche, gesellschaftliche oder ökonomische Bevormundung, gegen Vernutzung und Vermarktung zur Wehr setzt, erregte stets den Unmut von Praxisfetischisten. Hochschulen . . . Die fatale Reduktion von Bildung auf Ausbildung, die manchmal bis ins Unerträgliche gesteigerte Naivität, mit der wirtschaftliche Kategorien und deren Rhetorik in die Diskussion geworfen werden, die manchmal nahezu religiöse Dimensionen annehmende Gläubigkeit an die vermeintliche Gesetzmäßigkeit des Marktes - man blicke doch einmal auf die verwirrende Fülle ökonomischer Theorien von Keynes bis Hayek, von Schumpeter bis Friedman - offenbart eine Tendenz, die allen Zaubersprüchen der Managementkurse zum Trotz nur zu einem Ruin, einer Vernichtung dessen führen kann, was als universitäre Tradition seit dem Mittelalter hochgehalten wurde: Universitäten als Orte kritischer Reflexion, zukunftsorientierter und innovativer Ideen und Entwicklungen, Brennpunkte geistiger, gesellschaftlicher - und nicht bloß praxisorientierter, fachwissenschaftlicher Auseinandersetzungen. Von der Bildung zur Ausbildung, vom Ort intellektueller Auseinandersetzungen zur Herstellungsstätte für pflegeleichte Erfüllungsgehilfen der Wirtschaft - so kann dieser Weg einfach nicht beschritten werden. Die "Reform"modelle der Marktprediger mit ihrer nicht selten menschenverachtenden Weltanschauung können äußerstenfalls Organisationsstrukturen der Universitäten betreffen - sie gehen aber völlig an dem vorbei, was man die Idee einer Universität nennen könnte, würde einen diese Formulierung nicht angesichts der gegenwärtigen Diskussions(un-)kultur von vornherein ins Abseits stellen. Marktmechanismen und staatliche Regulierungen sind dort angebracht, wo sie Effizienz versprechen und sowohl Freiräume ermöglichen wie auch Kontrolle über den Einsatz der jeweiligen Mittel. Sie sind dort fehl am Platz, wo sie die "Wissensgesellschaft" regulieren, lenken, durch staatliche oder ökonomische Macht dorthin bringen wollen, wo sie den meisten Profit versprechen. . . . als Einkaufscenter? Man möge bitte nicht mit OECD-Zahlen bezüglich Studiendauer, Abbrechern, Effizienzfaktoren, Kosten-Nutzen-Rechnungen herumwerfen, deren Relativität längst erwiesen ist. Dies gilt auch für "Inkubator-Zentren", "Normkostenfinanzierung", "Schlüsselqualifikationen", "Controlling". Warum nicht gleich ein Gang der Universität an die Börse? Dabei ist das freundliche Angebot der Wirtschaftskammer, ihre Vertreter an der Reform der Studienpläne mitarbeiten zu lassen, im Grunde nur mehr die Absegnung des bereits Bestehenden. Geht es nämlich nach den Vorstellungen der Regierung, steht uns ohnedies eine Universitäts-G.m.b.H. ins Haus, nach betrieblichem Muster gegliedert und auf dem "Studentenmarkt" um Kunden werbend. Die allerdings könnten sich dann, den "Markgesetzen" folgend, bald nach Sonderangeboten umsehen. Denn wer garantiert, dass der teuerste Anbieter auch über die beste Qualität verfügt, wenn ich um die Ecke ein gleichartiges Produkt billiger erwerben kann? Zum Beispiel das da: Bachelor oder Magister im Doppelpack - garantiert kurze Studienzeit, bei Nichtgefallen Umtauschmöglichkeit oder Geld zurück. - Ein Preishammer! (DER STANDARD Print-Ausgabe, 12.2.2002)