Europa
Politischer Aschermittwoch als Auftakt zum deutschen Wahlkampf
Generalabrechnung Stoibers mit der Regierung - Schily: Stoiber verspricht allen alles
Passau/Vilshofen/Biberach/Sao Paulo - Mit heftigen
gegenseitigen Angriffen haben die deutschen Parteien beim
traditionellen Politischen Aschermittwoch den Bundestagswahlkampf
eingeläutet. Der Unions-Kanzlerkandidat und bayerische
Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) nutzte in Passau den 50.
Politischen Aschermittwoch seiner Partei zu einer Generalabrechnung
mit der rot-grünen Bundesregierung. Stoiber wie auch die FDP warnten
in ihren Reden vor einer Koalition von SPD und PDS auf Bundesebene.
Die Union liegt seit der Nominierung Stoibers in Umfragen leicht vor
der SPD.Stoiber: "Rot-Grün hat abgewirtschaftet"
"Rot-Grün hat nach drei Jahren in Deutschland abgewirtschaftet",
sagte der CSU-Chef in der Passauer Nibelungenhalle. Die Politik von
Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) habe dazu geführt, dass
Deutschland bei Wirtschaftswachstum, Arbeitslosigkeit und
Verschuldung Klassenletzter in Europa sei. Stoiber - erstmals beim
Aschermittwoch im dunklen Anzug statt wie bisher im Trachtenanzug -
forderte deshalb einen Machtwechsel in Berlin. Im Falle eines
Wahlsiegs der Union werde es ein neues Steuerkonzept mit weniger
Abgaben geben. Für den Sommer kündigte Stoiber ein 100-Tage-Programm
an, in dem die Abschaffung der nächsten Stufe der Öko-Steuer
vorgesehen sei. Wegen des erwarteten Andrangs von 10.000 Zuhörern
wurde Stoibers rund zweieinhalbstündige Rede erstmals per
Video-Leinwand auch vor die Halle übertragen. Neben den rund 6000
Zuhörern in der Halle fanden sich draußen nach Polizeiangaben nur
1000 interessierte Bürger ein.
Schily: "Stoiber verspricht allen alles"
Innenminister Otto Schily (SPD) warf im Gegenzug Stoiber und den
Unionsparteien vor, keine klare Linie zu haben. "Stoiber ist einer,
der verspricht allen alles, den Banken, den Firmen, den Generalen",
sagte Schily beim Politischen Aschermittwoch der SPD in Vilshofen.
Nur bei der Rücknahme der Öko-Steuer sei kaum noch etwas von Stoiber
zu hören, obwohl er das früher lautstark gefordert habe. Stoibers
Wahlversprechen summierten sich unterdessen auf 63 Milliarden Euro
(867 Mrd. S) kritisierte Schily.
Grüne: CDU vertritt rückwärtsgewandte Politik und unstimmige Konzepte
Landwirtschaftsministerin Renate Künast (Grüne) warf Stoiber vor,
die Union stehe für eine rückwärts gewandte Politik der 70er Jahre
des vergangenen Jahrhunderts. Bei der Bundestagswahl gehe es deshalb
um eine "Richtungsentscheidung" über eine zukunftsorientierte Politik
der ökologischen Modernisierung, sagte Künast beim Politischen
Aschermittwoch der Grünen in Passau. Bayerns
Grünen-Landesvorsitzender Jerzy Montag sagte, Bayern sei zwar ein
Exportland, aber für den Export gebe es "bessere Markenartikel" als
den CSU-Chef Stoiber.
Beim Politischen Aschermittwoch in Baden-Württemberg sagte der
Chef der Grünen-Fraktion im Bundestag, Rezzo.Schlauch, in Biberach,
die finanz- und steuerpolitischen Vorstellungen der Unionsspitze
seien absolut unstimmig und deshalb als "pure Kakophonie" zu werten.
Die Äußerungen von Stoiber und der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel zum
Vorziehen der Steuerreform und zur Ökosteuer seien völlig
widersprüchlich.
FDP wirft Stoiber Unglaubwürdigkeit vor
In Sachen Öko-Steuer warf auch FDP-Chef Guido Westerwelle.dem
Unions-Kanzlerkandidaten Stoiber Unglaubwürdigkeit vor. Obwohl
Stoiber jahrelang gegen die umstrittene Ökosteuer Stimmung gemacht
habe, wolle er sie jetzt nicht mehr ganz abschaffen. Westerwelle
griff beim Politischen Aschermittwoch der FDP in Passau auch die
Bundesregierung scharf an und erklärte, dass die Liberalen zum ersten
Mal seit Jahrzehnten ohne Koalitionsaussage in den
Bundestagswahlkampf gehen werden.
Bayerns SPD-Landesvorsitzender Wolfgang Hoderlein warf Stoiber
Konzeptlosigkeit, Vetternwirtschaft und Rechtslastigkeit vor. Die
jüngste BSE-Affäre und andere Skandale belegten, dass die CSU aus
Bayern in vierzigjähriger Alleinherrschaft eine schwarze
Amigorepublik gemacht habe.
Gisy fordert bessere soziale Absicherung von Kleinunternehmern
Der PDS-Politiker und Berliner Wirtschaftssenator Gregor Gysi
forderte eine bessere soziale Absicherung von Kleinunternehmern. In
den neuen Bundesländern gebe es tausende ehemalige Selbstständige,
die heute von Sozialhilfe leben müssten, beklagte Gysi bei der
Veranstaltung seiner Partei zum Aschermittwoch in Passau.
Das erste Fernsehduell Schröder-Stoiber steht fest
Das erste Fernsehduell zwischen dem deutschen
Bundeskanzler Gerhard Schröder und seinem Herausforderer Edmund
Stoiber steht fest. Der Kanzler sagte am Dienstag während seiner
Lateinamerikareise, ein Termin vier Wochen vor der Bundestagswahl am
22. September sei bestätigt worden. Das gelte jedoch nicht für den
von Schröder gewünschten zweiten Termin am Freitag vor der Wahl.(APA/dpa/Reuters/AP)