Wirtschaft
Argentinien ist angesteckend
Arbeitskräfte stürmen die Nachbarländer - Schmuggel nach Bolivien nimmt zu
Schockwellen aus Argentinien erschüttern auch Nachbarländer
Touristen bleiben aus, Gastarbeiter strömen zurück - Nachbarländer konstatieren starke Zunahme des Schmuggels (von Jan-Uwe-Ronneburger/dpa) Buenos Aires - Die Argentinien-Krise ist zwar nicht auf die
internationalen Aktienmärkte durchgeschlagen, aber vor allem die
kleineren Nachbarländer bekommen die Auswirkungen doch mit voller
Wucht zu spüren. "Wenn Argentinien hüstelt, hat Paraguay eine
Grippe", schrieb eine Zeitung in Asuncion. Die Exporte nach
Argentinien sind stark gesunken, der Zahlungsverkehr wegen der
argentinischen Devisenbeschränkungen beeinträchtigt und
Direktinvestitionen in ihrem Dollar-Wert stark vermindert.
Zudem bleiben die noch bis vor kurzem zahlungskräftigen
argentinischen Touristen aus. Dafür strömen Gastarbeiter vor allem
aus Peru, Bolivien und Paraguay zu aus der drittgrößten
Volkswirtschaft Lateinamerikas in ihre Heimatländer zurück. Dabei
sind die kleineren Partnerländer Argentiniens im Handelsverband
Mercosur - Paraguay und Uruguay - ebenso betroffen wie Chile, Peru
oder Bolivien.
Brasilianische Bremsspuren
Zwar hat die argentinische Misere auch beim größten Mercosurland
Brasilien Bremsspuren hinterlassen. So ging die Industrieproduktion
im Dezember um sechs Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat zurück,
und für 2002 erwartet Brasilien ein Wirtschaftswachstum unter einem
Prozent.
Aber das Land nimmt wegen seiner viel größeren Wirtschaftskraft
und seines Anspruchs auf eine Führungsrolle auf dem Subkontinent
dennoch eine Sonderposition ein. Das Bruttoinlandsprodukt betrug im
vergangenen Jahr umgerechnet 507 Mrd. Dollar (577 Mrd. Euro/7,9 Bill.
S) und war damit größer als das der fünf anderen betroffenen Staaten
zusammen.
Trotz eines Leistungsbilanzdefizits im vergangenen Jahr von 23,217
Mrd. Dollar und eines chronischen Handelsbilanzdefizits mit
Argentinien kündigte die brasilianische Regierung deshalb die
weitgehende Öffnung des Marktes für argentinische Produkte an. Diese
Stützungsaktion zur Überwindung der schweren Krise des südlichen
Nachbarn werde Präsident Fernando Henrique Cardoso bei einem Besuch
in Buenos Aires am 17. und 18. Februar offiziell mitteilen, sagte
Entwicklungsminister Sergio Amaral.
Bolivianische Unternehmen forderten Grenzschließung
Ganz anders forderten bolivianische Unternehmer die Schließung der
Grenze zu Argentinien und deren Bewachung durch das Militär. Grund
war die starke Zunahme des Schmuggels aus dem nach der Abwertung des
Peso wieder preisgünstigeren Argentinien. Vor allem die
Weinwirtschaft rief den Notstand aus, weil sie sich ungeschützt der
Schwarzmarktkonkurrenz ausgesetzt sah. Außerdem kehrten mehrere
tausend Bolivianer zurück, die bisher die in Argentinien verdienten
Dollar ihren Familien in der Heimat schickten. Damit fehlt Bolivien
eine wichtige Devisenquelle. Ähnlich erging es Peru.
Hart getroffen ist auch Uruguay. Im Jänner fielen die Exporte nach
Argentinien um 66 Prozent. Die für Uruguay wichtige Tourismusbranche
meldete zugleich für den Ferienmonat Jänner 50 Prozent weniger
Besucher als im Vorjahresmonat. Statt 436.000 Urlaubern im
vergangenen Jahr seien es dieses Mal nur 250.000 Besucher gewesen.
Kalt erwischt hat es auch die wirtschaftlich viel weiter
entwickelten Chilenen. Sie engagierten sich in den vergangenen Jahren
mit Direktinvestitionen zwischen sechs und neun Mrd. Dollar in
Argentinien. Dieses Kapital ist nun gefährdet. Außerdem sind zur Zeit
Lieferungen nach Argentinien im Wert von 200 Mill. Dollar unbezahlt,
weil die Importeure von Konten- und Devisenbeschränkungen betroffen
sind. Auch hier wurde die Tourismusbranche von einem Rückgang
argentinischer Urlauberzahlen um 45 Prozent getroffen.
Hoffnung macht den Anrainern vorerst nur die Tatsache, dass sich
Argentinien mit der Aufgabe der Dollarbindung und der Rückbesinnung
auf eine eigene Währung wieder den wirtschaftlichen Verhältnissen
seiner Nachbarn angepasst hat. Langfristig könne der Mercosur und die
gesamte Region davon nur profitieren, hofft Chiles Außenministerin
Soledad Alvear. (APA)