Ökologie
"Ungarische" Paprika aus Spanien
Pestizid-Skandal führt zur Verwirrung der KundInnen am Markt
Wien - Ulli Drennig, Hausfrau,
kauft Gemüse. Melanzani
"zum Ausbacken", wie sie der
Standlerin auf dem Wiener
Rochusmarkt Mittwochvormittag erzählt. Als gesunde
Beilage wählt sie: Paprika,
längliche, rote. Doch sie lässt
Vorsicht walten: "Was sind
das für welche?" "Ungarische." Ulli Drennig kauft.
Paprika aus dem Glashaus
Paprikamäßig sei ihr Ungarn derzeit sympathischer als
Spanien, meint sie nachher:
kurze Lieferwege aus dem
Nachbarland, "da muss man
nicht viel Pestizide spritzen",
ein vergleichbares Klima. Wo
dort im Winter dann Paprika
wachsen? "Na, im Glashaus."
Ungarische Paprika kommen aus der Türkei
"Ungarische Paprika? Die
kommen um diese Jahreszeit alle aus der Türkei": Zwei
Stände weiter stiftet Verkäufer
Arthur Lorenz kurzfristig
Verwirrung. Dann klärt er auf:
Das Magyarische am Paprika
sei dessen Aussehen - länglich, spitz -, mit der Herkunft
habe das nichts zu tun. "Nur
...", er zögert, "im Moment
sind nicht viel türkische Paprika auf dem Markt. Im Großen und Ganzen kommt alles
aus Spanien."
KäuferInnen wissen nicht Bescheid
Womit er bei Marktthema
Nummer eins in diesen Tagen
wäre: Gift im Gemüse, nachdem Tests im Auftrag der
Umweltorganisation Global
2000 in spanischen Paprika
erhöhte Pestizidwerte ermittelt hatten. "Ist doch jedes Jahr
das Gleiche. Erst sind die Paprika verseucht, dann der Salat, dann die Gurken", gibt
sich Lorenz dem STANDARD gegenüber abgeklärt. Doch da
mischt sich, leicht erregt,
Stammkunde Herbert Mayer
ein: "Ich als Käufer weiß gar
nichts. Weil mich keiner informiert, keine Behörde und
die Händler schon gar nicht."
Was Mayer sich wünschen würde, weil er es vermisst: Einen wirklich "unabhängigen
Konsumentenschutz", der regelmäßig Tests durchführt
und deren Ergebnisse an die
Medien weitergibt. "Optimistisch bin ich nicht, da beschließen die Herren Minister
eine Ernährungsagentur, die auf Aufträge aus dem Großhandel angewiesen sein
wird." Inzwischen ernähre er
sich großteils bio. Was die
Menge geschluckten Gifts angehe, habe er so "sicher eine
Reihe von Spaziergängen in
den Abgaswolken der Landstraßer Hauptstraße gut".
Agentur beschlossen
Die von SPÖ, Grünen, Arbeiterkammer und Personalvertretern kritisierte Ernährungsagentur wurde indes von
ÖVP und FPÖ Dienstagnachmittag im Landwirtschaftsausschuss des Parlaments beschlossen. Sie soll am 1. Juni
2002 ihre Arbeit aufnehmen.
Landwirtschaftsminister Wilhelm Molterer (VP) lobte, mit
diesem Schritt würden Kräfte
gebündelt. Gesundheitsminister Herbert Haupt (FP) hob die
Synergieeffekte hervor, die
sich durch eine bessere Nutzung der Labore ergeben würden.(Irene Brickner, DER STANDARD Print-Ausgabe 14.2.2002)