München/Berlin - Das Gefühl, dass sie "damals so unbedarft für diesen Mann gearbeitet" habe, es habe sie mit zunehmendem Alter mehr und mehr bedrückt: So Traudl Junge in André Hellers und Othmar Schmiderers Dokumentarfilm Im toten Winkel. "Dieser Mann" war bekanntlich Adolf Hitler: Und Junge war bis in die letzten Tage im Führerbunker seine Sekretärin.Ob man die spätere Wissenschaftsjournalistin, die am Montag 81-jährig an einem Krebsleiden in München starb, weiterhin als "Hitlers Sekretärin" bezeichnen soll, sei dahingestellt. Tatsache ist, dass sie jahrzehntelang über die bedrückenden Erinnerungen nicht nur nicht erzählt hat, sondern erst gar nicht gefragt wurde. Erst der Publizistin Melissa Müller gelang es schließlich, sie zu Ausführungen für ein Buch zu gewinnen. Heller und Schmiderer wiederum porträtierten in nüchternen Aufnahmen den Monolog dieser Frau, die dem "jungen Ding", das sie war, nicht verzeihen konnte. Ob sie mit sich so wirklich ins Reine kam? Othmar Schmiderer, der gestern nach einer Berlinale-Vorführung von Im toten Winkel angesichts der Todesnachricht keine obligate Publikumsdiskussion mehr zulassen mochte, deutete an: Traudl Junge habe den Film als Erleichterung empfunden. Dass man auf das Erinnern verzichten kann, wie in den letzten Jahren manchmal unbedacht gesagt wurde, hat sie mit ihrer Erzählung nachdrücklich widerlegt. (cp, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 14. 2. 2002)