Kunsthalle Wien
Kunsthalle Wien
Martin Creed erhielt für seine Installation "Das Licht geht an und aus" - einem leeren Raum, in dem alle fünf Sekunden das Licht an-und ausgeht - 2001 den mit 20.000 Pfund dotierten Turner-Preis. Die Dankesrede des Minimalisten lautete: "Danke sehr, vielen Dank auch, und Dank an alle." In der ersten Version des neuen Wiener Museums Moderner Kunst gab es einen Raum für Michael Kienzers Autonome Skulptur : Es brummte dort nervtötend, kaum dass man die Schwelle übertrat. Dort fanden sich zwei Staubsauger im Nahkampf. Unentwirrbar ineinander verschlungen, saugten die sich gegenseitig aus. Nicht ganz hundert Jahre vorher ist in Wien schon eine ähnliche Arbeit entstanden: Gustav Klimts Der Kuss . Klimt zeigt ebenfalls ein Paar, untrennbar miteinander verbunden, für die Ewigkeit bestimmt. In Kienzers Interpretation scheint der ewig währende Kreislauf der Körpersäfte eher Fluch denn Segen. Hier zirkuliert Staub, hier ernährt der eine sich vom Abfall im anderen. Knopf bei Tingely drücken Und schuld daran war der kunstfreundliche Museumsbesucher, der in seinem unstillbaren Drang, sich der Bildung zu nähern, unausweichlich auf den Sensor tapsen musste, derart die Motoren anwarf, die den Kuss erst richtig zum Martyrium machten. Er möge so erschrocken sein, wie die unbedarften Kunstfreunde Generationen vor ihm, die nicht umhinkonnten, auf den Knopf bei Tingely zu drücken, und dafür Getöse ernteten - und bitterböse Blicke frisch geweckter Aufseher. Seit die Kunst sich in den Stromverbund eingegliedert hat, ist das Leben der tapferen Hüter und aufopfernden Bewahrer unseres kulturellen Erbes empfindlich anstrengender geworden. Wie angenehm ließ es sich doch unter Klimts Kuss dösen, ganz nahe der bepelzten Venus feucht träumen, umgeben von mordenden Salomés, einen Gedanken an die da kommende Jause verschwendend. Der heilige Sebastian, die heilige Clara, und auch der Sohn Gottes, sie alle litten still vor sich hin. Die Satyrn trieben es geräuschlos, Edward Hoppers Mitternachtsvögel schwiegen sich im Dämmerlicht an, Horden von Engeln stürzten vom Himmel, ohne auch nur einen Mucks zu machen. Und also verhielten sich auch die Besucher anständig: Hie und da ein Nuscheln, bisweilen widerliche Kreppsohlen, ansonsten herrschte Ruhe im Musenhain. Die Lärmhoheit hatten einzig die Wächter über Kunsthab und Kulturgut. Nur ihnen war es gestattet, ein schneidendes "Finger weg!" in die Hallen zu setzen, um solcherart der Jugend nahe zu bringen, dass wahres Erkennen die nötige Distanz voraussetzt. Kein Iglu ohne Neonröhre Vorbei: Ein jeder Künstler schon bemächtigt sich des Lärms, entscheidet über Licht und Schatten. Dass Mario Merz bei keinem Iglu ohne Neonröhren auskommt: gut, auch das Baumannsche Laserenvironment zur Documenta 6 in Kassel ging noch an - das war außen. Aber dass man als Wärter immer so schlecht aussehen muss, weil Dan Flavin in seinen frühen Installationen so gemein kalte Neonröhren verwendet hat; dass ein Franz Pomassl einem mit einem einzigen tieffrequenten Sinuston tagein tagaus an die Peristaltik geht; dass diese Yayoi Kusama einem mit ganzen Batterien von Glühbirnen einheizt, geht zu weit. Und dann verrennt man sich auch noch andauernd im eigenen Museum, bloß weil Gottfried Bechtold seine drei Neonstäbe so gefinkelt aufhängt, dass sie - völlig orientierungswidrig - von jeder Seite anders ausschauen. Und so finden sich immer mehr ehrenwerte Schatzmeister in den letzten verbliebenen Kupferstichkabinetten zusammen und träumen im Kollektiv den Traum vom Turner-Preis 2002, der endlich den ehrt, der den Hauptschalter findet. Auf dass fürderhin dann wieder alle Märtyrer still vor sich hinleiden und die Gefallenen aller Schlachten ruhig ausbluten können, dass wieder vornehm tonlos beweint und flimmerfrei zur See geschlachtet wird. Auf dass dann endlich keine Besucher mehr kämen, in voyeuristischer Absicht, sich an diesen Leiden zu ergötzen, und schlimmer noch: den Frieden der Hüter zu stören! derStandard/rondo/15/2/02