"Also, in Las Vegas war ich wie in Trance," sagt Dusty Sprengnagel über seinen ersten Eindruck von der glitzernden Wüstenstadt. Er steht aber auch ziemlich auf Hongkong und die kleinen Neon-Reklame-Schilder in den Cafés von Paris oder Mailand. Überhaupt sprühten die ersten Funken zwischen Dusty Sprengnagel und Neon in der Ferne. "Als ich wieder zurück von meinem ersten großen Trip war, hab ich gemerkt, dass auf den unzähligen Fotos, die ich machte, eine ganze Menge Neon-Sujets drauf waren", so Sprengnagel über den Beginn seiner Liaison mit Neon, dem Edelgas, das zwei britische Chemiker 1898 in der Erdatmosphäre entdeckten und das es - in Neonröhren verpackt - zu einem leuchtenden, aber zerbrechlichen Stück Kulturgeschichte des 20. Jahrhunderts brachte. Seit 1987 beliefert Dusty Sprengnagel schummrige Bars in der Vorstadt ebenso mit Neonlichtern wie große Firmenkomplexe oder Theaterbühnen. Auch selbst designte Objekte bringt Sprengnagel zum Leuchten. Sie und viele seiner Fotos sieht man derzeit in der Ausstellung "Neon - die Farbe der Nacht" im "Haus Wien Energie" in der Wiener Mariahilfer Straße. Sprengnagel ist eigentlich gelernter Dekorateur, kam dann irgendwann zum Film, wo er in so ziemlich jedem Bereich zum Einsatz kam: Special-Effects, Ausstattung, Regieassistenz. Sogar als Lichtdouble für Art Garfunkel musste der Wuschelkopf aus dem Wienerwald herhalten. Nach eigenen Kurzfilmproduktionen, dem Dekorieren von Schaufenstern und der Gestaltung von Messeauftritten, verspürte Sprengnagel das Bedürfnis, Eindrücke aus aller Welt einzufangen. An die 30 Mal war er seit Beginn der 80er-Jahre allein in den USA. "Mein erstes Neonobjekt war eine Carlsberg-Bierreklame, für das ich in New York extra einen kleinen Koffer um 15 Dollar gekauft habe", erzählt Sprengnagel. Neonreklamen, die seit 1915 von Hand gefertigt werden, indem Glasstäbe erwärmt werden und vom Glasbläser in Form gebracht werden, ließen Sprengnagel fortan nicht mehr los. Wieder zurück in der Heimat schlug er Franz Wunderl vom gleichnamigen Schuhhaus eine Neonreklame für seine Schaufenster vor. "Auch der hat das Neon damals gespürt", so Sprengnagel über seinen ersten Auftraggeber in Sachen Neon. Auf der Suche nach einem Produzenten stieß der Dekorateur auf die Firma Neon-Line in München, die seinerzeit plante, sich auch in Wien niederzulassen. Seit 15 Jahren ist Sprengnagel Chef dieser Firma in Wien. Die Frage, ob Neonlicht im Zeitalter neuer Lichttechnologien nicht etwas nostalgisch und zerbrechlich sei, verneint Sprengnagel natürlich überzeugt und meint, "Neon unterlag immer gewissen Moden, und das ist es ja, was das Business so spannend macht. Die Kundschaft ändert sich, auch das Produkt bleibt nie gleich." Ende der 80er-Jahre arbeitete Neon-Line für Firmen wie IBM oder Philips, irgendwann kamen dann Künstler wie Brigitte Kowanz, oder eine Installation für die Wiener Secession oder den Steirischen Herbst musste her. Das Burgtheater steht ebenso auf der Kundenliste von Sprengnagel wie der ORF, ganz zu schweigen von den Architekten, denn "trotz neuer Technologien", so Sprengnagel, "passt sich Neon oft besser gewissen Materialien wie zum Beispiel Stein an." Und das taugt dem Sprengnagel, dass er mit Menschen zu tun hat, die seinem Leben immer neue Inputs geben. "Was glauben Sie, wie lässig das ist, wenn man zuerst eine Besprechung mit einem Architekten wie Adolf Krischanitz hat oder mit dem Claus Peymann ein Projekt bespricht und dann zu einem Frisör in Simmering fährt, weil der ein neues Neon-Röhrl braucht", so Sprengnagel euphorisch über die Abwechslung in seinem Job. Und dann kommen noch die eigenen Arbeiten dazu. Ein ganzes Ideenbuch habe er voll. Neoninstallationen in einem aufblasbaren Gummifisch, Gedichte aus Neon und andere leuchtende Beispiele. "Irgendwo zwischen Design und Kunst" siedelt er seine Arbeiten an. Egal, ob man an das Lichtermeer von Las Vegas denkt, an einen von Gott und der Welt verlassenen Waschsalon oder eine räudige Bar aus einer Jim-Jarmusch-Produktion - die Effekte des Edelgases bespielen so manche Bühne abseits des Theaters und schaffen diese ganz eigene Atmosphäre, die jede Glühbirne alt aussehen lässt. Dabei handelt es sich laut Dusty Sprengnagel lediglich um "eine Entladungslampe. Ein Gas wird in einem Vakuum durch Elektrizität zum Leuchten gebracht, also animiert." Basta. Ein Blitz sei im Prinzip dasselbe, nur dass der sich halt in der Atmosphäre entlade. Etwas poetischer betrachtet könnte man sagen, Sprengnagel ist eine Art Herr der kleinen Blitze. Er fängt sie ein, sperrt sie in Glas und lässt sie in jeder erdenklichen Form und Farbe weiterleben. derStandard/rondo/15/2/02