Doris Krumpl
Wien - Bunte, im Propellerwind flatternde exotische Tücher konterkarieren derzeit die coole Ästhetik der neuen Box am Karlsplatz, die einst die blau-gelbe Kunsthalle war und nun in ihrer gläsernen Vitrinenfassung dort fast zu schweben scheint. In Adolf Krischanitz' elegantem Bau gilt wieder das Motto "Melange und Kunst", wobei hier der Projektraum der nun im Museumsquartier befindlichen "Kunsthalle Wien" laut Direktor Gerald Matt für Installationen sowie "Begegnungen von Lehre und Praxis in Hinblick auf Ausstellungsgestaltungen" vorgesehen ist. Bunte Tücher mit Holzkluppen auf die Leine gehängt

Den Anfang macht jetzt die seit 1998 in New York lebende Koreanerin Kim Sooja (Jahrgang 1957), deren Arbeiten im Big Apple heuer auch in Kürze bei der bedeutenden Whitney-Biennale vertreten sein werden. In ihrer Installation A Laundry Woman hängt sie gleich einer Waschfrau mit Holzkluppen bunte, bestickte Tücher auf die Leine, lädt bei einlullendem tibetanischen Mönchsgesang zum Umherstreifen ein. Die Muster der traditionellen Pracht-Bettücher, bis vor einiger Zeit in Soojas Heimatland zu bestimmten Anlässen geschenkt, erschließen nur für eingeweihte (asiatische) Betrachter ihre exakte Bedeutung.

Wäschetrocknen in der Öffentlichkeit

Als eine Reverenz der ursprünglich als Malerin arbeitenden Künstlerin an das Medium Malerei könnte man diese Installationen sehen oder auch als Verweis auf Lebenskreisläufe, Geburt und Tod, gemeinhin mit dem "Schauplatz Bett" verbunden. Auch das auch in seiner kulturellen Dimension zu lesende Thema Wäschetrocknen ("Intimität") in der Öffentlichkeit - im Norden verpönt, im Süden beliebt - schwingt mit. Vom drohenden Ethno-Kitsch bewahrt neben dem Umstand, dass keine Räucherstäbchen brennen, u. a. die Tatsache, dass das Statement trotz allem universell zu lesen ist.

Dahintreibenden Teile aus einem nahe gelegenen Krematorium

Dies erschließt sich gänzlich in der Großflächen-Videoprojektion, die die Ausstellung erst komplettiert. Sie zeigt für die Dauer von zehn Minuten eine Person von hinten - ein entindividualiserter Schatten, der auf einen langsam fließenden Fluss blickt, von dem kein Ufer ersichtlich ist und der am oberen Bildrand sich ins weiß-graue Nichts auflöst. Man braucht nicht unbedingt zu wissen, dass dies ein indischer Fluss ist und die dahintreibenden Teile aus einem nahe gelegenen Krematorium stammen, um zu merken, dass elementare Schwere, reduziert und tiefgründig, auf den unspektakulären Bildern lastet.

Hier rührt jemand an den letzten Dingen, ohne den existenziellen Brutalhammer zu schwingen. Konsequenterweise müsste Sooja ihre Kunstlaufbahn stoppen. Sie hat eigentlich alles schon gesagt. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 15.02. 2002)