Wien - Die Spannung ist förmlich greifbar, obwohl beide Musiker exzellent harmonieren - in ihrem klaren Spiel, in ihren lang gezogenen Bögen, in ihrer unsentimentalen Sicht auf Romantisches. Aber Tabea Zimmermann, Bratschistin der Extraklasse, und Pierre-Laurent Aimard, Pianist des Unspielbarsten, sind noch nie als Duo aufgetreten. So durfte man im Konzerthaus Aufregendes jenseits aller Konzertroutine erleben. Schon die Auswahl der Stücke war ungewöhnlich: Dass auf Bachs g-Moll-Sonate, BWV 1029, Stücke von György Kurtág folgen konnten, lag an einer durchdachten Dramaturgie, die auch diesen Block mit Klaviersoli aus den Játékok und Bratschensoli des ungarischen Komponisten bestimmt hatte. Dieser Hauch von Melancholie, der Kurtágs Hommage-Stücke umweht, durchzieht auch Schumanns Adagio und Allegro in As-Dur, op. 70, und die Märchenbilder , op. 113, die das Duo in vollen agogischen Zügen auskostete. Tags darauf das Klavier in üppiger symphonischer Umgebung: Zoltán Kocsis ließ Sergej Rachmaninows 2. Klavierkonzert als vieldeutige, abenteuerliche Musik erstehen. In den entscheidenden Momenten des Innehaltens und der Steigerung, im zweiten Satz Adagio sostenuto, kamen herrliche Klänge herüber, und das Spektakel der St. Petersburger Philharmoniker unter Dirigent Yuri Temirkanov mit seinen Profis an Blech und Schlagwerk wird so schnell niemand vergessen.

Am Beginn von Tschaikowskys Vierter Symphonie geriet der Klang ein bisschen geschärft. Die großen Bögen, Effekte des Werkes, "rissen" die Posaunen und vor allem die Celli dennoch heraus. Temirkanov, beherrscht und unsentimental selbst in der äußersten Attacke und jeder technischen Schwierigkeit gewachsen, besitzt die seltene Gabe, eine russische Symphonie ins durchaus Fragile zu modulieren.

Dann aber doch auch wieder nicht in einem solchen Ausmaß, dass die Zuhörer im Musikverein vor lauter schönen Stellen des musikalischen Zusammenhangs verlustig gegangen wären. (ka-, henn - DER STANDARD, Print, Sa./So., 16.02.2002)