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foto: reuters/bensch
Berlin - Überraschend und mit sofortiger Wirkung ist der frühere Regierende Bürgermeister Berlins, Eberhard Diepgen, von seinem Amt als CDU-Vorsitzender der Stadt zurückgetreten. Er zog damit am Samstag die Konsequenz aus einem Aufstand der Basis, die ihm bei der Bewerbung um die Berliner Spitzenkandidatur für den Bundestag eine drastische Niederlage bereitete. An seiner Stelle wurde der Ostberliner Unionsabgeordnete und ehemalige DDR-Menschenrechtler Günter Nooke mit 67,7 Prozent der Stimmen gewählt. Der heute 60-jährige Diepgen hatte 18 Jahre an der Spitze der Berliner CDU gestanden, fast 16 Jahre war er Regierender Bürgermeister und damit dienstältester Landeschef in Deutschland. Auf der Landesvertreterversammlung stimmten 161 Delegierte gegen und nur 123 Delegierte für ihn. Sieben enthielten sich. Nach kurzer Beratung auf einer eigens einberufenen Vorstandssitzung gab Diepgen auf. Der faktische Sturz Diepgens gilt als innerparteiliche Quittung für die vernichtenden Wahlniederlage im Oktober, die der Parteispendenaffäre sowie der Banken- und der Haushaltskrise folgten. Die Junge Union der Stadt forderte eine grundlegende Erneuerung der Partei. Prominente Parteifreunde versuchten sogar in Zeitungsanzeigen, Diepgen von der Bewerbung um den Spitzenplatz abzuhalten. Durchgehendes Motiv der Kritiker, die sich auch in der Personalaussprache Gehör verschafften, war, dass Diepgen auf Platz eins der Landesliste nach außen nicht als Bereitschaft der Partei zur Erneuerung verstanden würde. Wirkungslos blieben auch Appelle an ihn wie der des unterlegenen CDU-Spitzenkandidaten bei der Oktoberwahl, Frank Steffel, der ihm eindringlich den Platztausch mit dem auf Platz zwei gesetzten Nooke nahe gelegt hatte. Diepgen blieb unbeirrt bei seiner Kandidatur und hielt den Kritikern seiner Politik wie oft zuvor "Klugscheißerei" vor. Die anschließende und von Diepgen offensichtlich nicht erwartete Wahlniederlage wirkte auf ihn wie ein Schock. Nach seinem Rücktritt vom Landesvorsitz erhoben sich die Delegierten zu minutenlangem befreiten Applaus, der auch als Würdigung der Lebensleistung Diepgens gedacht war. Der CDU-Politiker hatte das Amt ursprünglich erst im Mai abgeben wollen. Es wird erwartet, dass Diepgen auch seine Wahlkreiskandidatur in Mitte aufgibt, um die er monatelang mit Nooke gerungen hatte. Steffel schlug in der "Berliner Morgenpost" (Sonntagausgabe) vor, Diepgen angesichts seiner politischen Leistung zum Ehrenvorsitzenden zu machen. Der innerparteilich umstrittene Steffel ist als möglicher Nachfolger Diepgens im Gespräch. Der Berliner SPD-Vorsitzende Peter Strieder erklärte im Inforadio Berlin-Brandenburg, Diepgen sei das Opfer einer politischen Intrige geworden, die Steffel und Nooke eingefädelt hätten. Es entspreche dem Stil der Berliner CDU, dass Nooke nicht in einer Kampfkandidatur offen gegen Diepgen angetreten sei, sondern auf Platz zwei auf das Fiasko Diepgens gewartet habe. Die Grünen sprachen von einem "Trauerspiel, wenn ein erfahrener Politiker nicht selbst erkennt, wann der Zeitpunkt für ihn gekommen ist, zu gehen". Auch die Grünen nannten es "bezeichnend" für die Berliner CDU, dass es keine offene Gegenkandidatur gegeben habe. Die Berliner SPD stellte Bundestagspräsident Wolfgang Thierse mit 98 Prozent der Stimmen erneut als ihren Spitzenkandidaten für den Bundestag auf. (APA/dpa)