Den Haag/Brüssel - Der österreichische Spitzendiplomat und derzeitige internationale Beauftragte für Bosnien-Herzegowina, Wolfgang Petritsch, wird voraussichtlich als Zeuge der Anklage im Prozess gegen den früheren jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic vor dem UNO-Kriegsverbrecher-Tribunal in Den Haag auftreten. Chefanklägerin Carla Del Ponte habe Petritsch bereits kontaktiert, hieß es in Brüsseler EU-Kreisen. Inzwischen begann Milosevic am Dienstag in Den Haag mit dem Kreuzverhör eines Zeugen der Anklage, dem früheren Vorsitzenden der Kommunistischen Partei im Kosovo, Mahmut Bakali. Petritsch wolle der Einladung des UNO-Tribunals aber erst nach seiner Ablösung als Bosnien-Beauftragter nachkommen, die für Ende Mai vorgesehen ist, hieß es. Er soll als österreichischer Botschafter bei der UNO und der WTO nach Genf wechseln. Der Nachweis einer direkten Verantwortung Milosevics an der "ethnischen Säuberung" in Bosnien-Herzegowina, der über 250.000 Menschen zum Opfer gefallen sind und die zur Vertreibung von zwei Millionen Menschen führte, werde allerdings schwierig sein, hieß es im Umkreis von Petritsch. Im Kosovo sei die Beweislage einfacher. Auch der Angeklagte, Milosevic, hatte seinerseits vor Tagen angekündigt, prominente westliche Politiker - u.a. den deutschen Bundeskanzler Gerhard Schröder, dessen Vorgänger Helmut Kohl, UNO-Generalsekretär Kofi Annan, Ex-US-Präsident Bill Clinton, den britischen Premier Tony Blair sowie den französischen Staatspräsidenten Jacques Chirac - als "direkte Beteiligte" am Balkankonflikt und dem Friedensabkommen von Dayton von 1995 in den Zeugenstand rufen lassen zu wollen. "Politik der verbrannten Erde" im Kosovo Erste Eindrücke über den Verhörstil des jugoslawischen Ex-Präsidenten konnte man am Dienstag sammeln. Milosevic befragte Bakalli in teils sarkastischen und herablassenden Worten zu seiner Aussage vom Vortag. Bakalli hatte erklärt, die jugoslawische Führung habe geplant, 70 albanische Siedlungen im Kosovo als Teil einer "Politik der verbrannten Erde" auszulöschen. Bakali hatte außerdem ausgesagt, Milosevic habe von der Ermordung von 40 Mitgliedern der Familie Jashari Anfang 1998 gewusst und diese Taten als Kampf gegen Terroristen gerechtfertigt. Jugoslawischer Expräsident mehrfach vom Richter ermahnt "Wissen Sie, dass sie (die Mitglieder der Familie Jashari, Anm.) sich nicht ergeben wollten und auf Polizisten schossen?", fragte Milosevic den Zeugen. "Wissen Sie, dass die, die sich ergaben, nicht getötet wurden?" Der Vorsitzender Richter Richard May ermahnte Milosevic mehrfach, dem Zeugen Gelegenheit zur Antwort zu geben. Bakalli erklärte, er kenne keine Einzelheiten über die Morde, wisse aber, dass Frauen und Kinder unter den Opfern gewesen seien. "Das waren so viele Lügen, da muss man viel nachfragen", replizierte Milosevic. "System der Apartheid" Der Zeuge warf Milosevic vor, für den Tod von 12.000 Menschen verantwortlich zu sein. In der Befragung erklärte Bakalli weiter, die Bevölkerung im Kosovo habe im Untergrund ein Bildungssystem entwickelt, um albanische Geschichte, Kultur und Sprache wieder in den Unterricht aufzunehmen. Die serbische Regierung habe dies in einem System ähnlich dem der Apartheid untersagt. Daraufhin entbrannte ein Disput über die Definition dieses Begriffs. Im Zuge der Verhandlung beschuldigte Milosevic in einem rhetorischen Gegenangriff "albanische Nationalisten", Anfang der achtziger Jahre 40.000 Serben zum Verlassen des Kosovo gezwungen zu haben. "Mit Mord, Vergewaltigungen, Brandstiftungen und Zerstörung von Eigentum haben sie Serben vertrieben", rief er vor dem Tribunal. Milosevic habe den Albanern grundlegende Rechte genommen Bakalli beschuldigte außerdem Milosevic, mit der Verfassungsänderung von 1989 der albanischen Bevölkerungsmehrheit im Kosovo grundlegende Rechte genommen zu haben. Dies sei durch die Aufhebung der weitreichenden Autonomie für das Kosovo gekommen. Zusammen mit anderen Nationalitäten, außer den Serben, strebten die Albaner im Kosovo eine eigene Republik an. Bakalli, der als unabhängiger Politiker im Parlament des Kosovo sitzt, lehnte den Begriff einer "albanischen Republik" ab, den Milosevic ihm vorhielt. Milosevic werden Völkermord, Kriegsverbrechen sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen; insgesamt liegen 66 Einzelklagen gegen ihn vor. Bei einer Verurteilung in auch nur einem Punkt droht im lebenslange Haft.(APA/AP/dpa)