"Ich bin offen für alles: unabhängig bleiben, fusionieren, aufgekauft werden", erklärte Club-Med-Chef Philippe Bourguignon dieser Tage in der Zeitung Le Figaro Entreprises. Der 54-jährige Patron mit dem Ruf eines erfolgreichen Firmensanieres sagt, was ihm vorschwebt: "Ein Verbündeter in Deutschland oder den USA wäre willkommen." Das legendäre Reiseunternehmen ist so tief gesunken, dass es sich öffentlich zum Verkauf anbieten muss. Im Januar wurde ein Verlust von 70 Mio. €- (963,22 Mio. S) für das Ende Oktober zu Ende gegangene Geschäftsjahr 2000/2001 angekündigt.Der Club Med steckt in der Identitätskrise. Vor gut 50 Jah ren für gesellige Franzosen mit kleinem Reisebudget gegründet, musste er seine legendäre Eigenart immer mehr aufgeben, um mit der Konkurrenz Schritt zu halten. Die Animatoren in den 120 Feriendörfern weltweit nennen sich zwar weiterhin "Gentils Organisateurs" oder kurz GO; doch das fidele Klubleben für Singles im Bambusrock gehört der Vergangenheit an. Diversifizierung Selbst die Gründerfamilie Trigano wurde 1997 von den Aktionären - darunter dem Agnelli-Clan mit 23,8 Prozent Kapitalanteil - in die Wüste geschickt. Der von Disneyland Paris abgeworbene Bourgui_gnon setzte zu einer Vorwärtsstrategie an, wollte die Zahl der Club Med-Zentren verdoppeln und schuf dazu eine ganze Reihe von neuen "Produkten". Parallel dazu übernahm Bourguignon im Mai 2001 die gut gehende Fitnesskette Gymnase Club. Letztere sollte dem Club mehr Umsatz bringen. Jetzt muss Bourguignon aber den Rückwärtsgang einlegen: Nachdem er 2001 schon die Schließung von 17 der 120 Feriendörfer bekannt gegeben hatte, machen heuer sechs weitere Dörfer wegen ungenügender Rentabilität dicht. Insgesamt verlor der Club in den letzten Monaten acht Prozent an Beherbungskapazität. Die - hauptsächlich sozialen - Kosten der Schließungen paaren sich mit den massiven Ausgaben, die für die bereits vor dem 11. September beschlossenen Neueröffnungen und Renovierungen nötig werden. Sie machen den Hauptteil des Jahresverlustes von 70 Mio. € aus und dürften auch im laufenden Geschäftsjahr zu einem Defizit von etwa 20 Mio. € führen. Bourguignon räumt ein, wegen des unklaren Verhaltens der US-Touristen - nach den Franzosen wichtigste Klientel des einstigen Mittelmeerexperten - befinde sich sein Unternehmen "im Blindflug". Das klingt aufrichtig, überzeugt aber kaum potenzielle Übernehmer wie die deutschen Reisekonzerne Preussag - bereits Hauptaktionärin von Nouvelles Frontières, Frankreichs Nummer eins vor Club Med - oder Thomas Cook. Diese dementieren Gerüchte, sie seien an den Franzosen interessiert. Vielleicht warten sie aber bloß zu, bis die Club-Med-Aktie reif ist - binnen Jahresfrist hat sie die Hälfte ihres Wertes eingebüßt. (Standard-Korrespondent Stefan Brändle aus Paris, Der Standard, Printausgabe, 19.02.2002)