Sie hätten es wissen können." Christoph Chorherr, der Klubchef der Wiener Grünen, pochte auf jenen Bericht des Wiener Kontrollamtes, der auflistet, was sein Parteifreund Günther Kenesei seit eineinhalb Jahren behauptet: Im Wiener Rathaus wurden Bauträgern satte Millionengewinne durch - gelinde formuliert - freundliche Widmungen geschenkt: Eine höhere Bauklasse, eine am Plan um Millimeter verrutschte Linie - im echten Leben ist so ein "Irrtum" ganz schön was wert.

Kaum zu glauben: Ausgerechnet dem Leiter der für Widmungen zuständigen Magistratsabteilung rutschte der Zeichenstift immer wieder aus. Meistens unbemerkt. Wirklich?

Auf vielen Simsen des Wiener Rathauses saßen Spatzen, die Geschichten und G'schichterln vom Werken und Wirken des Beamten in jedes Ohr pfiffen, das sich bot. Nicht bloß über seine Praktiken: über seinen fast obszön günstigen Grundstückskauf über das Wirtschaftsministerium (damals in SP-Händen) in den Achtzigern. Über Gutachtertätigkeiten für Bauträger. Über angebliche Firmenbeteiligungen. Oder über den aufwändigen Lebensstil des nun eilig in die Pension Verabschiedeten.

Seine Frau habe reich geerbt. Auch sonst sei alles in Ordnung. Das versicherten nicht erst der jetzige Wiener Planungschef (Rudolf Schicker, SP) und sein Vorgänger (Bernhard Görg, VP). Schon früher, unter Hannes Swoboda (SP), waren Vorgänge rund um den Widmer thematisiert worden. Es gab Anzeigen und Verfahren - aber nie eine Verurteilung: In dubio pro reo. Das Kontrollamt widmete sich allerdings nicht der Frage, ob der Mann genommen hat, sondern seinem Wirken als Behörde. Dieses zu kontrollieren wäre seit Jahren Aufgabe der Politik (gewesen). Das Kontrollamt brauchte gar nicht lang. "Sie hätten es wissen können." Man muss es halt auch wollen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 20.2.2002)