Wien - Außenministerin Benita Ferrero-Waldner (V) hat am Dienstagabend vor den wirtschaftlichen Folgen einer Verzögerung oder Blockade der EU-Erweiterung gewarnt. Österreichs Wirtschaftswachstum würde in diesem Fall um 0,6 bis 1,3 Prozent geschwächt, ein Handelsbilanzüberschuss in Höhe von 2,18 Mrd. Euro stünde auf dem Spiel, zudem wären 40.000 heimische Arbeitsplätze und Investitionen in Milliardenhöhe gefährdet, sagte Ferrero-Waldner bei einem Vortrag zum Thema "Österreich im internationalen Kräftespiel" in Wien. Die EU-Erweiterung sei eine "historische Korrektur" und habe weiterhin "erste Priorität" in Österreichs Außenpolitik. Österreich sei "eine der treibenden Kräfte der Erweiterung". Die Außenministerin bekräftigte, dass es keine Vetodrohungen Österreichs im Zusammenhang mit der EU-Erweiterung geben werde. Bilaterale Probleme müssten vor den Beitritten neuer Länder geklärt werden. Ferrero-Waldner zeigte sich zuversichtlich, dass der "gut nachbarschaftliche Ansatz" auch Lösungen im Streit mit Tschechien und Slowenien um die Vertreibungs- und Enteignungsbestimmungen der Nachkriegszeit (Benes-Dekrete bzw. AVNOJ-Beschlüsse) ermögliche. "Verbale Querschüsse von welcher Seite auch immer" stellten keine Lösung dar. In ihren Ausführungen zu dem von den USA geführten Krieg gegen den Terrorismus warnte Ferrero-Waldner vor den Folgen eines möglichen US-Angriffs auf den Irak. "Wir Europäer glauben, dass die Konsequenzen eines Angriffs vor allem unter der Bevölkerung in den arabischen Ländern nicht absehbar ist." Den Irak forderte die Außenministerin auf, UNO-Rüstungsinspektoren wieder ins Land zu lassen. Österreich werde mit den USA weiterhin Solidarität im Kampf gegen den Terrorismus zeigen, "denn schon morgen könnten wir sie benötigen". Sie werde sich jedoch dafür einsetzen, "dass weitere militärische Einsätze dieser Anti-Terror-Koalition nicht notwendig sein müssen", sagte Ferrero-Waldner. In diesem Zusammenhang hob die Außenministerin den vom iranischen Staatspräsidenten Mohammed Khatami vertretenen "Dialog der Zivilisationen" hervor. Khatami vertrete im Iran die moderaten Kräfte, daher stehe es den Europäern auch zu, diese zu unterstützen, sagte Ferrero-Waldner. US-Präsident George W. Bush hatte in seiner Rede zur Lage der Nation Iran, Irak und Nordkorea zur "Achse des Bösen" gezählt. Ferrero-Waldner erklärte, die Rede Bushs sei in erster Linie auf die amerikanische Innenpolitik ausgerichtet gewesen. Europa sei ein wichtiger Partner für die USA, dies habe auch die US-Administration "trotz gelegentlich einseitig klingender Rhetorik" erkannt. Eine wachsende Kluft sieht die Ministerin jedoch in der Rüstungstechnologie. Die "derzeit gefährlichste Lunte" unter allen Krisenregionen sieht Ferrero-Waldner im Nahen Osten. Die Außenministerin bekräftigte den Standpunkt der EU, dass Palästinenserpräsident Yasser Arafat "für absehbare Zeit Ansprechpartner für den Friedensprozess" bleiben müsse. Der von Israel geforderte Ansatz "Sicherheit zuerst" sei nicht richtig, wenn es darüber hinaus keinen politischen Horizont gebe. In der Sicherheitspolitik plädierte die Ministerin dafür, dass sich Österreich "alle sicherheitspolitischen Optionen offen" lasse. Österreich sei gut positioniert, wenn es sich der Verantwortung in der neue geordneten Welt stelle. Für den NATO-Gipfel Ende 2002 in Prag erwartet die Außenministerin Einladungen des Militärbündnisses an Slowenien, die Slowakei, die baltischen Staaten, sowie möglicherweise auch an Rumänien und Bulgarien.(APA)