Frankfurt/Main - In Deutschland wächst die Sorge über die
Angriffspläne der USA gegen den Irak. SPD, Grüne, FDP, PDS, aber auch
prominente CDU-Politiker kritisierten am Mittwoch die mangelnde
Kooperationsbereitschaft der Amerikaner und warnten vor den
unabsehbaren Folgen eines Militärschlages gegen Bagdad. Der
CSU-Vorsitzende und Kanzlerkandidat der Union, Edmund Stoiber, schlug
eine gemeinsame Irak-Initiative Europas und der Vereinigten Staaten
im Rahmen der Vereinten Nationen vor.
Europa gegen solche Arbeitsteilung
"Es kann nicht sein, dass die USA alleine über militärische
Schritte entscheiden, während sich die anderen Bündnispartner um die
humanitären Aufgaben kümmern", sagte der stellvertretende Vorsitzende
der SPD-Bundestagsfraktion, Gernot Erler, der "Bild"-Zeitung. Für
eine solche Arbeitsteilung stehe Europa nicht zur Verfügung. Die
verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Angelika
Beer, sagte im Fernsehsender Phoenix, Deutschland werde sich
keinesfalls in politische Abenteuer verstricken. Ein amerikanischer
Angriff auf Irak hätte unabsehbare politische Folgen für den gesamten
arabischen Raum: "Der ganze Nahe Osten könnte in Flammen aufgehen."
Deshalb müsse Europa nunmehr rasch eine einheitliche Position finden.
Alleingang Washingtons
Auch der CDU-Außenpolitiker Karl Lamers sprach die Befürchtung
aus, dass ein amerikanischer Angriff auf den Irak die dortige Lage
destabilisieren könnte: "Die USA haben vor allen Dingen keine Antwort
darauf, was politisch nach einem Angriff im Irak und in der Region
geschehen soll." Auch könnte ein Alleingang Washingtons das
Verhältnis zu Europa merklich abkühlen.
Die FDP warnte die Bundesregierung davor, die Gefahr eines
drohenden Konflikts mit dem Irak zu unterschätzen. Der Chef der
FDP-Bundestagsfraktion, Wolfgang Gerhardt, sagte der "Rheinischen
Post": "Wenn deutsche Soldaten derzeit in Kuwait an einem Manöver
teilnehmen, fällt es schwer zu glauben, dass dies nicht mit dem Irak
zusammenhängt." Dass Bundeskanzler Gerhard Schröder dies als
theoretische Frage verniedliche, während Außenminister Joschka
Fischer vor einem Angriff auf Irak warne, "zeugt nicht von Klarheit
bei der Vertretung deutscher Interessen".
Stoiber: "Viel Porzellan zerschlagen"
Stoiber sagte der Tageszeitung "Die Welt", statt die USA zu
kritisieren, müsse die Bundesregierung mit den Verbündeten für
sofortige Kontrollen der irakischen Waffenprogramme durch die
Vereinten Nationen sorgen. Schröder und Fischer hätten mit ihrer
öffentlichen Kritik "in Washington viel Porzellan zerschlagen". Das
werde den notwendigen Einfluss auf die weitere Entwicklung schmälern,
sagte Stoiber, der sich seinerseits jeglicher Kritik an den USA
enthielt. Die PDS-Vorsitzende Gabi Zimmer bezichtigte Stoiber der
"Nibelungentreue selbst gegenüber den gefährlichsten Eskapaden der
Supermacht USA". Dies sei ein verheerendes Signal, mit dem Stoiber
beginne, "sich frühzeitig für das Amt das Bundeskanzlers zu
disqualifizieren".
Kohl: "Unilaterismus ist tot"
Auch Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl ging auf Distanz zu Washington.
"Der Unilateralismus ist tot, die neue Zeit ist multilateral",
erklärte er im Auswärtigen Ausschuss der französischen
Nationalversammlung. Die USA müssten begreifen, dass sie nicht allein
auf der Welt seien. Die europäischen Staaten seien nicht die
"Vasallen" der Vereinigten Staaten, sondern Partner, fügte Kohl
hinzu. (AP)