Madrid - Entgegen der immer öfter formulierten Kritik - auch im Kreis der EU-Außenminister - an der Führungsrolle der USA in Sicherheits- und Verteidigungsfragen, ist Spaniens Premierminister José María Aznar "mehr denn je davon überzeugt, dass wir die politische Zusammenarbeit und Verbundenheit der EU zu den Vereinigten Staaten stärken müssen". Europa könne im Augenblick auf sich gestellt "die eigene Sicherheit nicht garantieren und Konflikte in Europa nicht allein lösen", sagte der Premier am Donnerstag in Madrid im Gespräch mit Auslandsjournalisten. Als Beispiel nannte er den Balkankonflikt, der ohne das "entscheidende Eingreifen" der USA nicht hätte gelöst werden können.

Schlussfolgerung des turnusmäßigen Präsidenten der EU: Nicht die kritische Distanz, sondern eine noch engere Annäherung an die USA sei wünschenswert. "Der Antiamerikanismus ist unterhaltsam und in gewissen Kreisen sogar geschätzt, aber das ist nicht meine Sache." Nachsatz Aznars: "Der Kommunismus ist das schlimmste Übel der Menschheit."

Zwar seien in den Fragen der Umweltpolitik oder des Welthandels durchaus divergente Standpunkte erkennbar. Was aber die Sicherheit und die militärische Stabilität betrifft, ist nach Ansicht Aznars eine "weitere Festigung der Beziehungen EU-USA erstrebenswert". Wer von einer militärischen Intervention der EU in Krisenregionen spreche, müsse auch bereit sein, den Preis dafür zu bezahlen. Aznar stellte die Frage: "Wer ist heute denn bereit, die Kosten für eine europäische Aufrüstung zu tragen?"

Unmittelbar nach einem Treffen mit Israels Außenminister Shimon Peres zeichnete der spanische Premier in dem Gespräch im Moncloa-Palast ein düsteres Bild der Lage im Nahen Osten. "Es herrscht praktisch Krieg, und die Lage kann sich noch weiter verschlechtern. Die EU kann keine weiteren Friedensinitiativen starten, solange diese keine Aussicht auf Erfolg haben." Mehr als ein neuerlicher Aufruf an beide Konfliktparteien zum sofortigen Waffenstillstand sei nicht möglich.

"Achsen, Koalitionen"

Mit Blick auf den bevorstehenden EU-Gipfel in Barcelona ist Aznar optimistischer: Er erwarte eine Einigung auch in den Kapiteln Deregulierung der Energiemärkte und Neuregelung des Arbeitsmarktes, die noch nicht ausverhandelt sind; in den Bereichen Transport, Telekommunikation und Finanzen sieht er keine Schwierigkeiten. Auch das Ziel, die Verhandlungen zur EU-Osterweiterung bis Ende 2002 abzuschließen, scheint dem Spanier erreichbar. "Von Achsen und Koalitionen innerhalb der EU werden wir in den nächsten Wochen noch viel hören", scherzte Aznar, "doch ich glaube an eine Verständigung der Personen."(Der STANDARD, Printausgabe 22.2.2002)