Standard: Die Geburtenrate sinkt, in Kärnten zeigt die Kurve besonders stark nach unten. Wurde das Ziel des Kindergeldes verfehlt?

Haupt: Ab Oktober ist es in Kärnten nach oben gegangen – um sieben Prozent. Das ganze Jahr davor gab es tatsächlich Einbußen. Offensichtlich haben manche auf das Kindergeld gewartet.

Standard: Halten Sie es für ein Problem, dass die Geburtenrate dramatisch hinuntergeht?

Haupt: Das ist ein Riesenproblem für unsere Gesellschaft, weil alle Sozialleistungen – von der Pension bis zur Krankenversicherung – am Generationenvertrag hängen.

Standard: Das heißt, die Pensionen werden künftig vor allem aus Steuern zu finanzieren sein?

Haupt: Das nicht. Man wird aber das ganze Sozialsystem den neuen Bedingungen anpassen müssen. Das Kinderbetreuungsgeld könnte Stabilisierungseffekte bringen. Wir hoffen, dass wieder so viele Kinder kommen, wie nötig sind, um die Steuerkomponente im üblichen Ausmaß zu behalten: also 85.000 bis 90.000 Kinder (derzeit sind es 74.630, Anm.).

Standard: Gibt es genügend öffentliche Kinderbetreuungsmöglichkeiten?

Haupt: Aufgrund der Kinderlosigkeit weiter Teile der Bevölkerung werden heute sogar Kindergärten wieder geschlossen, die noch vor sieben Jahren gebaut wurden.

Im Grunde sind aber vor allem die Rahmenbedingungen der Gesellschaft zu ändern: dass nämlich Kinderkriegen nicht als reiner Luxus oder als Angelegenheit weniger Länder betrachtet wird. Leider ist das ein Trend der Wohlfahrtsgesellschaft. Es ist Entsolidarisierung eingetreten. Jeder sieht nur mehr sich und seine Selbstverwirklichung und kommt erst in einem späteren Lebensabschnitt drauf, dass ihm etwas Wichtiges fehlt.

Standard: Kann man dagegen in der Politik etwas tun?

Haupt: Das wird sicherlich ein jahrelanger Prozess sein. Aber wir hoffen, den negativen Trend umzukehren. Das Kindergeld ist ein Anfang.

Standard: Ist es mit einer gezielten Migration möglich, die Geburtenrate auszugleichen?

Haupt: Sobald die Leute im Wohlstand sind, kriegen sie auch keine Kinder mehr.

Standard: Nehmen Schulsystem und Wirtschaft genügend Rücksicht darauf, dass mittlerweile beide Elternteile berufstätig sind? Die SPÖ kritisiert heute mangelnde Vereinbarkeit von Kind und Beruf.

Haupt: Sie haben heute in weiten Teilen Österreichs die Fünftagewoche mit Nachmittagsbetreuung, auch in den Mittelschulen, sodass Samstag und Sonntag für die Familie frei bleibt. Da ist sehr viel geschehen. Aber die Familienfreundlichkeit hängt auch davon ab, ob man sich selbst, wenn die Kinder Betreuung brauchen, etwas zurücknimmt. Da ist bei sehr vielen die Bereitschaft nicht vorhanden.

Die Sozialisten haben fünfzig Jahre gepredigt, dass Selbstverwirklichung alles und alles andere nichts ist. Es ist kurios, dass sich jene, die die Ursache des Problems sind, jetzt darüber aufregen.
(DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 23./24.2.2002)

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ÖGB und SPÖ kritisieren Haupts Aussagen zum Geburtenrückgang