Würzburg/Wien - "So wie mit dem Urmeter ein Standardmaß für die Länge festgelegt worden ist, haben wir ein Standardgehirn ermittelt, das der Fruchtfliege, die als Modellorganismus breit studiert wird", berichtet Martin Heisenberg vom Institut für Genetik und Neurobiologie der Uni Würzburg dem STANDARD.Bisher haben Hirnforscher keine Referenzwerte: Man weiß weder beim Menschen noch bei Tieren, wie das "Normalgehirn" aussieht. Heisenberg, der schon lange an der Fruchtfliege arbeitet - "man kann das Grundsätzliche auch an kleinen Gehirnen lernen" -, hat nun den Anfang gemacht und aus 30 Hirnen ein Standardgehirn gemittelt. Dazu wurden die Hirne eingefärbt und unter Spezialmikroskopen zugänglich. Dann wurde das gesamte Bild dreidimensional in Computer eingespielt - darin liegt der Fortschritt, früher gab es nur zweidimensionale Schnitte. Erste Ergebnisse zeigten sich rasch. Heisenberg hat zwei Fliegenstämme standardisiert: Der eine wird schon lange im Labor gehalten, der andere erst kurz. Ihn hat die Evolution noch nicht an die neue Umwelt angepasst. Ersterer hingegen hat die für das Laufen zuständige Hirnregion vergrößert und die für das Fliegen nötige reduziert. "Wir wollen zu einer ganz neuen Art von Gehirnatlas kommen", erklärt der Forscher, "zu einem Genatlas, bei dem die Aktivitäten der Gene mit ihrer systemischen Wirkung im Gehirn abgeglichen werden können." Viele Genaktivitäten kann man schon sichtbar machen, aber bisher keinem physiologischen Pendant zuordnen. Die Fliege wird nicht lange alleine bleiben, andere Forscher arbeiten am Gehirn der Biene. Und das des Menschen soll nächstes Jahr standardisiert sein. ( jl, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 23./24. 2. 2002)