Wien - "Seit dem Enron-Skandal in den USA wissen wir, dass wir von Konzernen nur wissen, was diese uns wissen lassen wollen", sagte die Soziologin und Vizepräsidentin der globalisierungskritischen Organisation Attac, Susan George, bei einer Podiumsdiskussion in Wien. Freiwillige Verhaltensverpflichtungen von multinationalen Unternehmen seien meist nicht mehr als Lippenbekenntnisse. Nur bindende und überprüfbare Maßnahmen, etwa die Besteuerung von Devisenspekulationen oder grenzüberschreitenden Firmenübernahmen, könnten die wirtschaftliche Globalisierung in gerechtere Bahnen lenken.

Auf Einladung des SP-Renner-Institutes und Attac Österreich diskutierten neben George Parlamentarier, Gewerkschafter sowie Richard Samans, einer der Direktoren des Weltwirtschaftsforums, über Schlussfolgerungen aus den beiden jüngsten "Globalisierungskonferenzen" von New York und Porto Alegre.

Wirtschaftswachstum Schlüssel zur Erfolg

US-Ökonom Samans, früher Berater hochrangiger US-Demokraten bis hin zu Bill Clinton, leitete aus den Diskussionen nach den Terroanschlägen vom 11. September einen "speziellen Moment" für den globalen Schuldennachlass ab. Doch: Bei allen Bemühungen, neue Mechanismen zur gerechteren Einkommensverteilung zu finden, dürfe nicht übersehen werden, dass der Schlüssel zum Erfolg in nachhaltig hohen Wirtschaftswachstumsraten liege. Samans: "Anders bekommen wir die drei Milliarden Menschen, die von weniger als zwei Dollar am Tag leben müssen, nie aus ihrer Armut heraus."

George äußerte sich diesbezüglich sehr skeptisch, dass die nächste Entschuldungs-beziehungsweise Entwicklungsfinanzierungskonferenz im März in Mexiko ein Erfolg werde - in erster Linie deshalb, weil die USA neue Initiativen ablehnten. Liberalisierungsschritte im Dienstleistungssektor

Als aktuell "größte Gefahr" bezeichnete George aber die Bestrebungen auf der Ebene der Welthandelsorganisation (WTO), weitreichende Liberalisierungsschritte im Dienst- leistungssektor zu setzen. Insbesondere durch die Bemühungen, das schon einmal gescheiterte Investitionsschutzabkommen MAI wieder zu beleben und mit Marktöffnungsschritten bei öffentlichen Dienstleistungen und Auftragsvergaben zu verknüpfen, drohten Bereiche wie Gesundheits-, Bildungs- oder Wasserversorgungssysteme in die Hände internationaler Großkonzerne zu fallen.

In diesem Zusammenhang forderte etwa SP-Europasprecher Caspar Einem ein parlamentarisches Begleitgremium für die WTO, um mehr Transparenz und demokratische Entscheidungsstrukturen in die dortigen Verhandlungen zu bekommen. Auch die Sozialdemokratie habe bei der Entwicklung von Gegenkonzepten zur neoliberalen Globalisierung an Schwung verloren, meinte Einem.

Die außenpolitische Sprecherin der Grünen, Ulrike Lunacek, forderte unabhängige Schiedsgerichte im Entwicklungshilfebereich, wo die involvierte Bevölkerung über die Mittelverwendung mitentscheiden könne. "Denn von selber ändern sich jene, die an der Macht sind, nicht", sagte Lunacek. (miba, Der Standard, Printausgabe, 25.02.2002)